Ernst Theodor Amadeus Hoffmann ist manchen Zeitgenossen - wenn überhaupt - nur noch über Jacques Offenbachs Oper "Hoffmanns Erzählungen" bekannt. Mit dem "E.T.A. Hoffmann-Handbuch" erschließt sich das umfangreiche Werk des vielseitigen Schriftstellers der Romantik, sowohl dem Kenner als auch dem gelegentlichen Leser. Unter der Herausgeberschaft von Christine Lubkoll und Harald Neumeyer beleuchten über fünfzig Autoren Leben, Werk und Rezeption des facettenreichen Juristen.
Das Handbuch ist wie folgt gegliedert:
I. Leben
II. Werke
III. Kultur und Wissenschaft
IV. Ästhetik und Poetik
V. Rezeption
VI. Anhang (Auswahlbibliographie, Die Autorinnen und Autoren, Personenregister, Werkregister)
Dem biografischen Teil folgen eingehende Analysen der literarischen Werke Hoffmanns. Sie folgen alle einem bewährten Schema: Entstehung, Inhalt, Forschungsstand, besondere Thematik, Literatur. Ein Augenmerk der Textanalysen liegt darauf, das Werk in den jeweiligen zeitgenössischen Kontext zu stellen.
Hoffmann ist von der Ausbildung her Jurist, bekannt als Schriftsteller der Romantik, er ist aber auch Komponist, Kapellmeister, Zeichner, Karikaturist und manches mehr.
Hoffmanns Texte stehen an einer Scharnierstelle zwischen Märchen, Phantastik und Gespensterglaube einerseits und den aufkommenden Wissenschaften andrerseits. Die Übergänge sind nicht nur zu Hoffmanns Zeiten fließend. Demgemäß verarbeitet Hoffmann vieles Wissen seiner Zeit: Psychologie, Philosophie, Medizin, Physiognomik, Naturwissenschaften, Recht. Darauf wird im dritten und vierten Abschnitt des Handbuchs ausführlich eingegangen. Gerade zum Verständnis der Hoffmannschen Texte sind diese Themenfelder und Hintergründe unerlässlich, allzu leicht liest man ansonsten seine Romane und Erzählungen als hoffnungslos überholte Märchen und Schauergeschichten.
Hoffmanns literarische Werke spielen im Unterricht keine große Rolle (S. 435-436), ihre Wirkung auf andere Künstler war jedoch enorm. Im 5. Abschnitt wird dies diskutiert und eine Linie über Gustav Meyrink, Franz Kafka und Arno Schmidt bis zu Ingo Schulz und Uwe Tellkamp gezeigt. Auch viele Komponisten ließen sich durch E.T.A. Hoffmann anregen.
Die Artikel im E.T.A. Hoffmann-Handbuch sind (soweit ich sie gelesen habe) durchwegs klar und verständlich formuliert. Sie sind auch für den Normalleser gut lesbar.
Zwei kleine Mankos, die aber keinen Punkteabzug rechtfertigen:
* ich finde, dass Hoffmann als Komponist etwas zu kurz kommt (S. 233-235).
* ob E.T.A. Hoffmann wirklich blumige Nachnamen an Warschauer Juden vergab, oder ob das nur ein Märchen ist, weiß ich immer noch nicht.
Mit dem Handbuch kann man sich das literarische Werk E.T.A. Hoffmanns ausgezeichnet erschließen. Neben den ausführlichen Einzelinterpretationen liegt der Schwerpunkt auf den vielfältigen Bezügen zur zeitgenössischen Kultur und Wissenschaft. Es regt zur Lektüre an und es sollte zum Nachschlagen griffbereit stehen.
Für Forschende, Studierende und Leser gleichermassen empfehlenswert.