Zwischen der weiblichen Emanzipation und weiblicher Erotik lagen Ende des 19. Jahrhunderts tiefe Gräben. Die Frauenbewegung, die zum damaligen Zeitpunkt ihren ersten Höhepunkt erreichte, stieß sich weit mehr an der Vorstellung, dass die Frau eben auch ein Wesen mit erotischen Gefühlen sei, als sich mit diesem Gedanken zu versöhnen oder ihm gar Raum zu gewähren. Im Mann manifestierte sich der Feind, etwas, das es vollends zu überwinden galt. Weibliche Erotik passte hier ganz und gar nicht in die Lücke, die man oft mit Entsagung ausfüllte. Eine Frau, die es verstand, neben einem selbstbestimmten Leben auch ihre eigene Sexualität auszuleben und in gesellschaftlicher Hinsicht das Zusammenwirken weiblicher und männlicher Kräfte zu propagieren, war Franziska Gräfin zu Reventlow. Sie avancierte zu einer zentralen Figur der Schwabinger Boheme- und Künstlerszene der Jahrhundertwende. Der sozialen wie gleichzeitig geschlechtlichen Sklaverei zu entkommen, davon spricht sie in ihren zeitkritischen Schriften, von denen zwei Essays und eine Erzählung in diesem Band versammelt sind.