Unter den zahlreichen Publikationen zur musikalischen Analyse ist Kühns "Analyse lernen" etwas Neuartiges. Wo in den gängigen Anleitungen zumeist die Frage nach der kompositionstechnischen Machart dominiert, da möchte Kühn seine Leser zum ästhetischen Kern des musikalischen Kunstwerks führen. Deshalb finden sich keine abgerundeten Analysen in dem Buch; an ihre Stelle treten Wegweiser zum kreativen Umgang mit dem analytischen Werkzeug. Auf dem Fundament gesicherter Begrifflichkeit und vorformulierter Voraussetzungen demonstriert der Autor, wie eine Analyse arbeiten kann, die nicht schematisch vorgeht (Takt 1: Akkord XY, Takt 2. usw.), sondern das jedem Stück angemessene Resultat sucht. Fragen stellen zu können, ist hier die zentrale Fähigkeit. Kühns Analyseansätze schöpfen aus einem gewaltigen Fundus von Werken aller Epochen, so dass immer wieder überraschende Analogien aufscheinen und bekannte Stücke in ein neues Licht geraten. Die zahlreichen Notenbeispiele machen jeden Analysegedanken für den Leser nachvollziehbar, und die vielen beigefügten Aufgaben ermuntern zu eigener Analyse. Zum Vergnügen, mit dem man dieses neue Buch liest, trägt nicht zuletzt auch die erfrischend undogmatische Sprache bei. Analyse ist seit etwa 20 Jahren ins Zentrum musiktheoretischer Unterweisung gerückt. Das dokumentieren auch die zahlreichen Publikationen zu diesem Thema. Wer jedoch aus den verfügbaren Büchern das Analysieren lernen möchte, sieht sich enttäuscht. Sie legen lediglich fertige Analysen vor. Clemens Kühns Buch setzt genau da an. Es präsentiert nicht analytische Resultate, sondern lehrt den Weg dorthin und will Gespür, Fähigkeit, Kompetenz für das Analysieren ausbilden. Dargestellt wird die reiche Palette analytischer Möglichkeiten und Blickwinkel. Die vielen Aufgaben ermuntern dazu, das jeweils Nachvollzogene in eigenen analytischen Versuchen anzuwenden.