In Berlin brennen seit Monaten Luxuskarossen. Die Polizei ist überfordert, besorgte Autorfahrer ziehen als »Bürgerstreife« durch den Kiez. Die Wege dreier sehr unterschiedlicher Menschen kreuzen sich während eines Höllentrips durch die Großstadtnacht . . .
Die junge Polizistin Romina Winter ist gerade aus disziplinarischen Gründen frisch zum Dezernat für Branddelikte versetzt worden und patrouilliert durch die nächtliche City. Durch die streift auch der Postbote Maurice Jaenisch, der ganz sicher weiß, dass die Stadt von Satan beherrscht wird. Und weil er alles richtig machen will, muss er ihm gegenübertreten. Auch Jette Geppert ist unterwegs. Sie ist Reporterin bei Kriminalprozessen in Moabit und ein Super Recognizer: Sie kann Gesichter zuverlässig wiedererkennen. Die drei treiben durch die riesige Stadt, deren Nachtgesicht geheimnisvoll, faszinierend und brandgefährlich ist . . .
Besprechung vom 05.12.2022
Kreuzberger Nächte
Johannes Groschupf zündet nicht nur Autos an
Wenn es gut läuft, wenn die Milieus und die Akteure passen, dann wird aus einem Krimiplot schnell ein Großstadtroman, der einen Nerv trifft. In "Berlin Prepper" ist Johannes Groschupf das vor drei Jahren fabelhaft gelungen, allein schon durch die Sozialfigur des apokalypseanfälligen Titelhelden. "Berlin Heat" ließ dann eher an eine Figur von Jörg Fauser denken, die in eine allzu fremde Welt geraten ist.
Groschupfs neues Buch, "Die Stunde der Hyänen", das auch wieder hauptsächlich in Berlin-Kreuzberg, im alten SO36-Kiez, spielt, überzeugt durch die Vielfalt der Perspektiven und Stimmen. Ein polnischer Lkw-Fahrer, eine engagierte Lokaljournalistin, eine Polizistin mit Sinti- oder Roma-Wurzeln, ein junger Postbote, der nicht nur Briefe verteilt, sondern auch Flyer für eine Sekte, die an die Zeugen Jehovas erinnert. Ihre Wege kreuzen einander, ohne dass es merkwürdiger Zufälle oder anderer dramaturgischer Tricks bedürfte. Die brennenden Autos im Kiez sind es, die sie zusammenführen: als Zündler, Ermittler, Berichterstatter, Opfer, indirekte Nutznießer oder Angehörige einer "Bürgerwehr", die nachts durch die Straßen um den Görlitzer Park patrouillieren.
Groschupf schreibt eine knappe, kühle Prosa. Ihre Dynamik entsteht vor allem daraus, dass er lieber ein paar Kommata setzt als erläuternde Konjunktionen. Er hat auch ein gutes Gespür für Dialoge. Und man merkt, dass er die Welt kennt, die Ränder, an denen gesellschaftlicher Konsens ausfasert und wo Leute leben, die nicht in sozialen Medien oder Reality-Formaten auftauchen. Auffällig ist, wie viel Gewaltbereitschaft in allen Charakteren lauert, mal dichter unter der Oberfläche, mal verborgener. Groschupf ist kein Erzähler, bei dem am Ende Ordnung herrschen muss. Manche kommen davon, andere trifft es umso härter. Die brennenden Autos sind kein Fanal, das reinigende Wirkung hätte. pek
Johannes Groschupf:
"Die Stunde der Hyänen". Thriller.
Suhrkamp Verlag,
Berlin 2022.
265 S., br.
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