Der Richter a.D. Wilhelm Weitling begeht mit vielen Jahrzehnten Abstand zum zweiten Mal den gleichen Fehler und kentert mit seinem kleinen Boot, wie schon in seiner Jugend, bei einem heftigen Sturm, dessen Vorzeichen er missachtete hatte, auf dem Chiemsee.Aus ungeklärten Umständen wird er dadurch eben in diese Zeit in den späten 1950igern zurückversetzt und begleitet fortan sein früheres Ich als Art Geist, ohne dass der junge Willy davon etwas mitbekommen würde.Verzweifelt sucht er nach einem Weg zurück in sein altes Leben und stellt fest, dass er sich nur sturzbetrunkenen und dementen Menschen verständlich machen kann.Sein eigener Opa, der wohl ähnliche Erfahrungen gemacht hat, gibt ihm den entscheidenden Hinweis, wie er zurückkehren kann. Doch noch weiß Weitling ihn nicht richtig zu deuten und muss noch einige Monate ausharren und mit zunehmender Sorge registrieren, dass sein unbeabsichtigter Zeitsprung den Verlauf seiner eigenen Lebensgeschichte zu verändern vermag....Die Grundidee der Handlung gefällt mir sehr gut. Der Autor macht daraus eine spannende Geschichte, mit gewisser philosophische Anlehnung, bei der man der Auflösung entgegen fiebert.Als der Ich-Erzähler heraus findet, dass eine fehlende Narbe an der Hand schon ausreicht, dass sein Leben nicht mehr in der Bahn verläuft, die er in Erinnerung hat, stellt er sich zunehmend die Frage, ob es nach der Rückkehr überhaupt noch einen Richter a.D. geben wird, ob er jemals Rechtswissenschaften studiert hat, usw. Seine größte Angst stellt jedoch dar, dass seine über alles geliebte Frau nicht mehr an seiner Seite weilt, sondern er sich im entstehenden Parallelleben diesbezüglich anders entscheiden wird.Fast automatisch stellt man sich selber die Frage, was man gerne verändern würde, wenn man selber seine ¿Sommerfrische¿ erleben würde und was auf gar keinen Fall. Eine Geschichte also, die dazu anregen kann, sein eigenes Leben zu hinterfragen.Der Erzählstil von Nadolny erweist sich als angenehm geradlinig. Er lässt auch schön das Bild einer längst vergangenen Zeit wieder auferstehen. Bestimmt verwebt er die ein oder andere autobiografische Episode.Es handelt sich um eine ungekürzte Lesung auf 6 CDs. So zwischendurch habe ich so die eine oder andere kleine Länge für mich im Erzählfluss feststellen können. Reicht aber nicht für einen Sterne-Abzug.Gert Heidenreich erweist sich einmal mehr als erfahrener Hörbuchsprecher.