Karl Marx hat als Politiker, Journalist und Wissenschaftler ein immenses Werk hinterlassen, das aber Zeitgenossen nur in kleinen Teilen bekannt war und überwiegend erst durch posthume Editionen erschlossen wurde. Begonnen hat dies Friedrich Engels, der zugleich auf vielfältige Weise seine Deutungshoheit über Leben und Werk von Marx etablierte - mit Nachwirkungen bis heute. Anlässlich des 200. Geburtstags von Marx legt Wilfried Nippel eine Darstellung vor, die sich auf dessen Wirkung in seiner Zeit konzentriert.
"Das Büchlein in der wie stets hervorragend lektorierten Taschenbuchreihe bietet nicht einfach den ersten Einstieg in die komplizierte Lebensgeschichte, sondern viel mehr als das."
Bernhard Schulz, Tagesspiegel, 2. Mai 2018
"Ein komprimierter und präziser Überblick über Leben und Werk eines der wirkmächtigsten deutschen Denker."
Der Sonntag, 29. April 2018
Besprechung vom 06.05.2018
NEUES VON UND ÜBER KARL MARX
EINE AUSWAHL VON RAINER HANK
Der Bohemien.
Anlässlich des 200. Geburtstages gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder man aktualisiert Marx oder man historisiert ihn. Der britische Historiker Gareth Stedman Jones - er unterrichtete 20 Jahre am King's College in Oxford - hat sich für die konsequente Historisierung entschieden. Herausgekommen ist der mit Abstand beste Beitrag zum Jubiläum. Marx, so lernen wir, war kein Marxist, dafür aber ein cooler Träumer der Romantik, ein Bohemien und Philosoph mit permanenten Geldsorgen. Kurzum: eine Figur voller spannender Widersprüche.
Gareth Stedman Jones.
Karl Marx. Die Biographie. S. Fischer 2017. 32 Euro.
Das Original.
"Lire le capital", das Kapital lesen, so lautete der Leitspruch des französischen Philosophen Louis Althusser in den frühen siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts. Nicht viele haben das damals ganz geschafft. Wer will und viel Zeit hat, kann einen zweiten Anlauf nehmen: Die Marx-Engels-Gesamtausgabe MEGA, ediert von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, die es seit 1995 auch auf Chinesisch gibt, soll bis 2025 auf 114 Bände anwachsen. Bislang liegen 65 Bände vor. Für Leser mit weniger Zeit empfiehlt sich das vorzügliche, von Florian Butollo und Oliver Nachtwey herausgegebene Marx-Florilegium: Damit lässt sich fast jede Marx-Debatte bestehen.
Karl Marx.
Kritik des Kapitalismus. Schriften zur Philosophie, Ökonomie, Politik und Soziologie. Hrsg. von Florian Butollo und Oliver Nachtwey. Suhrkamp 2018. 30 Euro.
Der Dichter.
Dies ist eine der kuriosesten Editionen zum Marx-Jubiläum. Sie zeigt: Marx war nicht nur Philosoph, Ökonom und Revolutionär. Er war auch Poet, der ein nicht unbeträchtliches literarisches Werk hinterlassen hat mit Gedichten, Balladen, einem humoristischen Roman und einem Trauerspiel ("Oulanem"). Der Band "Weltgericht" enthält Gedichte nach einer 1833 bis 1837 entstandenen Originalkladde von Marx, gesammelt als Geburtstagsgeschenk an den Vater. Ein Jahr zuvor hatte auch Marx' Verlobte Jenny von Westfalen eine ähnliche Sammlung erhalten. Marx schreibt im Stil der Zeit, eine Mischung aus Jean Paul, E. T. A. Hoffmann und Heinrich Heine. Die Gedichte des Poeten Marx sind übrigens gar nicht einmal übel (etwa "Nachtliebe" oder "Spielmann").
Karl Marx.
Weltgericht. Dichtungen aus dem Jahre 1837. Mit einem Nachwort von Michael Quante. Dietz Verlag 2018. 36 Euro.
Der Klassiker.
Woran erkennt man einen Klassiker? Richtig: am Handbuch. Das Marx-Handbuch, herausgegeben von zwei orthodoxen Marxologen, bietet alles, was das Herz begehrt: Stichworte zu Ware, Mehrwert, Zins und zum berüchtigten "Gesetz vom tendenziellen Fall der Profitrate". Auch die Rezeption von Rosa Luxemburg bis Trotzki, Lenin und Mao ist drin. Bloß Stalin hat kein eigenes Kapitel. Warum?
Michael Quante/David P. Schweikard.
Marx Handbuch. Leben, Werk, Wirkung 2016. J. B. Metzler. 69,99 Euro.
Der Quickie.
Wenn es schnell gehen und preisgünstig sein soll, hilft allemal die bewährte C.H. Beck-Reihe "Wissen". Das Bändchen des Berliner Althistorikers Wilfried Nippel zu Marx ist schnörkellos, ohne Wertung, erzählt entlang der intellektuellen Biographie. Das Private kommt dabei etwas zu kurz.
Wilfried Nippel.
Karl Marx. C.H. Beck 2018. 9,95 Euro.
Der Bärtige.
Am 18. Februar 1882 besteigt Karl Marx in Marseille den Dampfer "Said" und verlässt zum ersten Mal in seinem Leben Europa. Am Kai von Algier nimmt ihn Albert Fermé in Empfang, der sich in der Pariser Kommune engagiert hatte. Doch an politische Kämpfe ist für Marx nicht mehr zu denken. Den Tod seiner Frau Jenny drei Monate zuvor hat er nicht verwunden, und das wärmere Klima kann seine chronische Rippenfellentzündung nicht kurieren. Karl Marx lässt sich ein letztes Mal fotografieren, bevor er beim Barbier Haarpracht und Bart opfert. Ein Akt, der ihm selbst beinahe symbolisch vorkommt: Der Prophetenbart ist ab. Der Frankfurter Feuilletonist Uwe Wittstock präsentiert Marx elegant als einen "Don Quijote auf seiner letzten Reise". Und der Moralist Axel Hacke stellt die entscheidende Frage: Wäre der Marxismus in der Geschichte der Philosophie und der Menschheit zu solcher Bedeutung gekommen, wenn Karl Marx keinen Bart gehabt hätte?
Uwe Wittstock.
Karl Marx beim Barbier. Blessing 2018.
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