Kannst du herkommen? Schnell, wenn es geht? (S. 25) fragt sein Vater ängstlich am Telefon. In seine Cabane wurde eingebrochen und sein Rezeptbuch gestohlen. Für jeden anderen ist es doch vollkommen wertlos. Aber für mich ist es (S. 27) Natürlich fährt Commissaire Luc Verlain sofort nach Hause. Er weiß zwar nicht, ob er das Buch wiederbeschaffen kann, aber er hat eine andere Idee. Zusammen mit seinem Vater unternimmt er in seinem alten Jaguar XJ6 eine Reise durchs Aquitaine und bittet die besten Köche der Region um ihre Lieblingsrezepte. Sie besuchen die höchste Düne und den längsten Strand Europas, von enthusiastischen Einwohnern wieder zum Leben erweckte Dörfchen, kleine Bistros und Sternerestaurants, immer auf den Spuren der bisher gelösten Fälle des Commissaires, ergänzt durch Zitate aus den Büchern der Reihe. Als besonderes Gimmick findet man neben der Seitenzahl übrigens die Kilometerzahl der bereits zurückgelegten Reise.
Chez Luc ist für mich das Coffee-Table-Book des Jahres, die perfekte Ergänzung zu Alexander Oetkers Krimireihe. Wer bisher noch nicht ins Aquitaine verliebt war nach diesem Buch ist er es, denn es bietet großartige Landschaftsaufnahmen und leckere Rezepte, ergänzt durch die Geschichte und Geschichten der verschiedenen Gegenden und ihrer Bewohner. Seiner poetischen Sprache merkt man an, wie sehr er dieses Gebiet liebt: Die Platanen verneigen sich voreinander und schaffen so ein Panorama, das zur stillen Einkehr einlädt. (S. 206)
Die Menschen, die er portraitiert, bleiben im Gedächtnis. Es sind viele Aussteiger dabei, die eine neue Berufung gefunden oder sich auf ihre Wurzeln besonnen haben: Eine Fischerin, die nur aus wirtschaftlicher Not damit angefangen hat und jetzt sehr erfolgreich ist; ein ehemaliger Fußballstar, der ein Hotel mit Restaurant betreibt; einen Koch, bei dem es keine Karte gibt, sondern dass, wofür er am Morgen die Zutaten frisch bekommen hat; den berühmtesten Austernfischer, der auch Schauspieler ist und Bücher schreibt und dabei extrem bodenständig geblieben ist; oder eine junge Hirtin, die den meisten Teil des Jahres mit ihren Schafen und Ziegen allein in den Bergen lebt und ihre Kinder nur am Wochenende sieht, wenn der Vater sie zu ihr bringt. Die Region wird durch ihre Bewohner noch lebendiger und erlebbarer für den Leser.
Die Regionalität spielt auch bei den Zutaten eine existentielle Rolle, darum lassen sich einige Rezepte nur schwer nachkochen vom Schwierigkeitsgrad und dem der Perfektion mal ganz abgesehen. Es gibt die Kostbarkeiten des Meeres in allen Varianten, bestes Fleisch, saisonales und Obst und Gemüse und natürlich immer den passenden regionalen Wein.
Zum Aquitaine und dem angrenzenden Baskenland gehören natürlich auch der Stierkampf, Schweineschinken und Gänsestopfleber allerdings ganz ohne Tierquälerei, nachhaltig, ökologisch und biologisch korrekt, wie die Produzenten zeigen.
Und wenn Alexander Oetker den Geschmack von Steak-Frites à lEntrecôte mit einer unglaublich leckeren Sauce beschreibt, läuft sogar mir (die ich kein rotes Fleisch esse) das Wasser im Mund zusammen.