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Bernard der Faulpelz

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»Ein Unvergleichlicher« - so wurde André Dhôtel schon zu Lebzeiten genannt. Die vermeintliche Harmlosigkeit der kristallklaren Sätze seiner Prosa täuscht nur auf den ersten Blick darüber hinweg, dass sie direkt in die unendlichen Weiten der »Weltinnenräume« unserer Seelen führen, wie Philippe Jaccottet notierte. Bernard der Faulpelz, ein typischer Charakter Dhôtels bukolisch anmutender Romane, wird getragen von einer stillen Sehnsucht: Lebend in einer Kleinstadt, die Augen offen für das Wunderbare in der Welt des Kleinen und Alltäglichen, entführt er den Leser in die wahre Wirklichkeit, die Dhôtel »in der Gestalt klar umrissener Rätsel« (Peter Handke) sichtbar macht.

Produktdetails

Erscheinungsdatum
14. April 2022
Sprache
deutsch
Auflage
1. Auflage
Seitenanzahl
282
Autor/Autorin
André Dhôtel
Übersetzung
Anne Weber
Vorwort
Peter Handke
Weitere Beteiligte
Peter Handke
Verlag/Hersteller
Produktart
gebunden
Gewicht
416 g
Größe (L/B/H)
202/125/29 mm
ISBN
9783751800730

Portrait

André Dhôtel


André Dhôtel, 1900 in Attigny, Ardennes, geboren, wuchs zunächst in der Nähe von Reims, dann in Autun auf. Nach einem Studium der Philosophie an der Sorbonne unterrichtete er ab 1921 in einem Lycée in Saint-Omer, Pas-de-Calais, und von 1924 bis 1928 in Athen. Nach seiner Rückkehr nach Frankreich war er bis 1961 beamteter Studienrat in Béthune, Provins, Charolles, Valognes und Coulommiers. 1930 veröffentlichte er im Verlag Gallimard seinen ersten Roman (

Campements

), dem lange kein zweiter folgte. Erst 1943 glückte ihm mit dem Roman

Le Village pathétique

eine weitere Veröffentlichung, der insgesamt über 50 Bücher folgten. Ein erster Erfolg gelang ihm 1948 mit dem Roman

David

, der mit dem

Prix Sainte-Beuve

ausgezeichnet wurde. Der Durchbruch und die Bestätigung durch den Prix Femina gelang 1955 mit dem auch ins Deutsche übersetzten Roman

Le pays où l on n'arrive jamais.

Es folgten viele weitere Preise. Nach Beendigung seiner 40-jährigen Unterrichtstätigkeit lebte er abwechselnd in Paris, im Kanton Attigny und in Provins, der Heimat seiner Frau. Er starb 1991 im Alter von 90 Jahren.


Anne Weber, 1964 in Offenbach geboren, lebt seit 1983 als freie Autorin und Übersetzerin in Paris. Sie hat sowohl aus dem Deutschen ins Französische übersetzt (u. a. Sibylle Lewitscharoff, Wilhelm Genazino) als auch umgekehrt (Pierre Michon, Marguerite Duras). Ihre eigenen Bücher schreibt sie sowohl in deutscher als auch in französischer Sprache. Ihre Werke wurden u. a. mit dem Heimito von Doderer-Literaturpreis, dem 3sat-Preis, dem Kranichsteiner Literaturpreis, dem Johann-Heinrich-Voß-Preis und dem Solothurner Literaturpreis 2024 ausgezeichnet. 2024 erhielt sie außerdem den Annette-von-Droste-Hülshoff-Preis.


Für ihr Buch

Annette, ein Heldinnenepos

wurde Anne Weber mit dem Deutschen Buchpreis 2020 ausgezeichnet.


Peter Handke wurde 1942 in Griffen, Kärnten, geboren. Die Familie mütterlicherseits gehört zur slowenischen Minderheit in Österreich; der Vater, ein Deutscher, war in Folge des Zweiten Weltkriegs nach Kärnten gekommen. Zwischen 1954 und 1959 besuchte Handke das Gymnasium in Tanzenberg, Kärnten, und das dazugehörige Internat. Nach dem Abitur im Jahr 1961 studierte er in Graz Jura. 1966 erschien sein erster Roman

Die Hornissen

. Im selben Jahr 1966 erfolgt die Inszenierung seines inzwischen legendären Theaterstücks

Publikumsbeschimpfung.

Sein Werk, zu dem Werke wie

Wunschloses Unglück

,

Mein Jahr in der Niemandsbucht

oder

Die Obstdiebin

zählen, wurde mit vielen Preisen, 2019 mit dem Nobelpreis ausgezeichnet.



Pressestimmen

Besprechung vom 27.04.2022

Die heikle Kunst des Verirrens

Umgekehrte Liebe auf den ersten Blick: André Dhôtel erzählt in "Bernard der Faulpelz" eine Hassgeschichte - und ein Virtuosenstück.

Jean Paulhan, der Kritiker und legendäre Herrscher über die "Nouvelle Revue Française" hätte es besser wissen müssen: Auf die Nachwelt ist kein Verlass. Er selbst war überzeugt, diese Nachwelt werde André Dhôtel jenen höchsten Rang zusprechen, den er verdiente: "André Dhôtel ist unser Dickens." Aber trotz zahlreicher Fürsprecher - Maurice Blanchot, François Mauriac, Philippe Jaccottet -, trotz bedeutender Preise blieb Dhôtel mit seinem umfangreichen Werk ein Autor am Rand des geschäftigen Betriebs, und man hat nicht den Eindruck, dass er sich dort unwohl fühlte. Hat man ihn früh schon als altmodisch, überholt gescholten, so zeigt sich heute gerade das Unzeitgemäße als die Eigenschaft, durch die seine Romane alle Moden faszinierend überdauert haben.

Der 1900 in Attigny, einer Kleinstadt in den Ardennen, geborene und 1991 gestorbene Dhôtel zählt zu jener Autorenspezies, der abwechslungs- und vergnügungssüchtige Kritiker gern vorhalten, sie hätten zeitlebens immer dasselbe Buch verfasst - und das waren nicht wenige. Die anderen lieben gerade darin das lebenslange Abenteuer eines Erzählers, der abseits von ausgetretenen Wegen die heikle Kunst des Verirrens von Roman zu Roman mit Umsicht variiert, perfektioniert. Seine auf den ersten Blick so unspektakulären Helden des Alltags kämpfen ihren Kampf in der verkehrten Welt mit Vorliebe gegen sich selbst; selbstgewisse Konsequenz liegt ihnen ebenso fern wie die meisten anderen besonders romantypischen Leidenschaften.

Bernard Casmin ist ein solcher linkshändiger Held. "Stolpern fördert", heißt es irgendwo bei Goethe, aber das ist wohl bereits zu idealistisch gedacht. Bernard ist ein durch und durch sympathischer junger Mann, den alle Welt einen "Faulpelz" nennt, selbst wenn man nicht genau weiß, wieso. Seine hervorstechende Eigenschaft ist eine ungewöhnliche Harmlosigkeit, aber das wär's auch schon. Er lebt ein ruhiges Angestelltenleben in der Provinz, am Rand der Berge, im Hause seiner bürgerlich-provinziellen Cousins, wird rundum geschätzt, und seine Cousine Noémi plant deshalb das Notwendige für eine Heirat mit der wunderschönen Nachbarstochter Estelle Jarraudet als erwünschte Krönung dieser Laufbahn. Doch das Verhängnis tritt eines Tages durch die Bürotür, und zwar ausgerechnet in der bezaubernden Gestalt der fatalen Braut: "Es ist etwas sehr Einfaches passiert, sagte Bernard. Eine Art umgekehrte Liebe auf den ersten Blick. Von der ersten Sekunde an habe ich für sie einen wahrhaftigen Hass verspürt, und ich glaube, ihr ging es haargenau so, als sie mich gesehen hat."

Von nun an geht es nur noch um das eine, und Dhôtel verfolgt die Hassgeschichte zwischen Bernard und Estelle mit der gleichen Empathie, die andere gern der großen Liebe widmen - schwer zu erklären ist das eine wie das andere. Typisch aber für Dhôtel'sche Helden macht der verträumte Bernard sich weniger Sorgen um die ganze Affäre, die keine ist, als die kuriose Heerschar der rettungslos in Intrigen verrannten Provinzbewohner. Mit kunstvoller Akribie verwebt und verheddert der Autor die Handlungsfäden, lässt den staunenden Leser eine gute Weile im Abseits stehen, bis er wieder zurückstolpert zu Bernard, dem Helden, der zäh daran festhält, sein Glück trotz allem in diesem Nest zu suchen und zu finden, wo keiner ihn mehr will. Schließlich steht er nicht nur vor der Frage Liebe oder Hass, sondern auch vor der entscheidenden Wahl zwischen kleinem Gebrauchtwagen und Moped.

Was macht sie nur aus, diese ungewöhnliche Erzählstimme, für die es kaum einen Vergleich gibt im französischen Roman? Als hätten Adalbert Stifter und Wilhelm Genazino sich zusammengetan zum Studium eines japanischen Zen-Poeten: Vom einen stammt die epische Gelassenheit, die Versenkung ins Detail, die Liebe zum Kleinen und Kleinsten; vom anderen die Schrecken der Gewöhnlichkeit, der doppelte Boden von Witz, Paradox und sprachlichen Funken: "Blaiseau war ein Mann reiferen Alters. Bürstenartiger Schnurrbart. Etwas irre Blicke. Aber er galt zu Recht als besonnener Kaufmann." Man muss sich in Acht nehmen vor der offenkundigen Einfachheit der Dhôtel'schen Sätze, denn hinter ihnen lauert mehr als einmal der irre Blick, und ebenso vor seinen Kommentaren, die er wie nebenher einstreut in den Fluss des merkwürdigen Geschehens: "Bienen flogen vorbei, Hummeln . . . Bernard kam in den Sinn, dass der Wind nur an der Stelle zu wehen scheint, an der man sich befindet, aber in Wirklichkeit überall zugleich ist, über dem kleinen Tümpel in der Ebene, über der Doune, über den Weiden und den Tannen zwischen den Felsen und schließlich inmitten der feinsten Städte Europas. Derartige Überlegungen sind allerdings nicht dazu angetan, einen jungen Mann einer ertragreichen Karriere zuzuführen." Und man ahnt alsbald, dass Bernard tatsächlich weniger Interesse hat an einer solchen Karriere als vielmehr an der interesselos wohlgefälligen Kontemplation der irren Welt.

Diese Kontemplation teilt er mit seinem Autor. Doch was dieser Autor dem Helden voraus hat, das ist seine Genauigkeit, seine Intelligenz, aber auch das Vergnügen an der sprachlichen Volte, stets auf der Grenze zwischen scheinbarer Naivität und einer Weltweisheit, die sich durch keine spektakuläre Dramatik ins Bockshorn jagen lässt - obwohl der Roman in fast klassischer Manier dann doch in sein winterkaltes Finale rennt. "Die Fährten, die er legt, sind keinmal die in manchen Kriminalromanen handelsüblichen falschen", schreibt Peter Handke in seinem Vorwort: "Auch wenn es Wildfährten sind, scheinbar ziellose, nirgendwohin führende, führen sie weiter." Und wenn Anne Weber mit ihrem Namen und ihrer Übersetzungskunst bewirken kann, dass dieser verirrungssichere Fährtensucher in seinem Abseits jetzt auch auf Deutsch Verehrer bekommt, dann ist das sehr viel. Die Betrachtung des Windes führt wohl tatsächlich nicht zu einer ertragreichen Karriere, sie ist aber ein großer Gewinn für Leser, die in Romanen anderes suchen als einen bald schon vergessenen tagesaktuellen "Plot". Dieses andere finden sie ganz sicher bei André Dhôtel. WOLFGANG MATZ

André Dhôtel: "Bernard der Faulpelz."

Aus dem Französischen von Anne Weber. Vorwort von Peter Handke. Matthes & Seitz, Berlin 2022. 180 S., geb.

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