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Tschewengur

Die Wanderung mit offenem Herzen. Roman

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Nicht nur Die Baugrube, auch das zweite Hauptwerk Andrej Platonows, der Roman Tschewengur, durfte in der Sowjetunion nicht erscheinen. Er habe nichts anderes versucht, als den Anfang der kommunistischen Gesellschaft darzustellen, schreibt der Autor an den mächtigen Maxim Gorki. Das Buch, so die Antwort, sei inakzeptabel, denn die Helden würden nicht als Revolutionäre, sondern als komische Käuze und Halbverrückte wahrgenommen.

Don Quijote und Sancho Pansa durchstreifen die Steppe Südrusslands: Sascha Dwanow hat als Heizer an den Kämpfen der Roten Armee gegen die Weißen teilgenommen. Kopjonkin ist auf dem Ross »Proletarische Kraft« unterwegs, auf der Suche nach dem Grab Rosa Luxemburgs, in deren Namen er Heldentaten begehen will. Soll das, was ihnen unterwegs begegnet, die Verwirklichung der sozialistischen Idee sein? Erst nach der Trennung von Kopjonkin kommt Sascha auf die richtige Spur. In der Steppenstadt Tschewengur soll der Kommunismus bereits angebrochen sein.

Wie elf Bolschewiki und ihr Führer dort die Bourgeoisie vernichten und mit der bettelarmen Bevölkerung das Paradies aufbauen, wird als Geschichte eines gigantischen Scheiterns erzählt. Melancholie und Dunkelheit liegen über der Natur und der Stadt: »In die Tiefe der angebrochenen Nacht gingen ein paar Menschen aus dem Kommunismus ins Ungewisse.«

Produktdetails

Erscheinungsdatum
16. April 2018
Sprache
deutsch
Seitenanzahl
581
Autor/Autorin
Andrej Platonow
Übersetzung
Renate Reschke
Nachwort
Ingo Schulze, Dževad Karahasan
Weitere Beteiligte
Ingo Schulze, Dzevad Karahasan
Verlag/Hersteller
Originaltitel
Originalsprache
russisch
Produktart
gebunden
Gewicht
615 g
Größe (L/B/H)
213/135/35 mm
ISBN
9783518428030

Portrait

Andrej Platonow


Andrej Platonow, 1899 in Woronesch geboren, begann mit 14 Jahren zu arbeiten, absolvierte später das Eisenbahnertechnikum und war in den 20er Jahren als Ingenieur für Bewässerungstechnik und Elektrifizierung tätig. Seit 1918 publizierte er Lyrik, Erzählungen und journalistische Arbeiten. Seine Hauptwerke,

Tschewengur

(1926) und

Die Baugrube

(1930), konnten nicht erscheinen. Platonow starb 1951. Erst in den 80er Jahren setzte seine Wiederentdeckung ein.


Ingo Schulze, geboren 1962 in Dresden, lebt in Berlin. Zuletzt erhielt er für Handy Dreizehn Geschichten in alter Manier den »Preis der Leipziger Buchmesse« 2007.

Dževad Karahasan, 1953 in Duvno/Jugoslawien geboren, zählte zu den bedeutendsten europäischen Autoren der Gegenwart. Sein umfangreiches Werk umfasst Romane, Essays, Erzählungen und Theaterstücke. Er wurde vielfach ausgezeichnet, u. a. mit dem Leipziger Buchpreis für Europäische Verständigung 2004 und mit dem Goethepreis der Stadt Frankfurt 2020. Dževad Karahasan verstarb am 19. Mai 2023 im Alter von 70 Jahren in Graz.

Pressestimmen

»Die poetische Eindringlichkeit, mit der Platonow seine surrealistische Vision entwickelt, ist [...] Beleg einer großen Ernsthaftigkeit, einer tiefen, echten Sehnsucht, die völlig konträr zur Aura des Absurden steht, von der viele Geschehnisse und die meisten Dialoge dieses Romans gekennzeichnet sind.« Katharina Granzin, taz. die tageszeitung

»[Dževad Karahasan] ist zuzustimmen, wenn er Platonows Werk als Mythourgie definiert, als Arbeit am und mit dem Mythos, und es vom literarischen Erzählen im engeren Sinne abgrenzt. Das indes macht aus dem Meilenstein der Literatur einen weltanschaulichen Traktat.« Christiane Pöhlmann, Frankfurter Allgemeine Zeitung

»In seinem großen Roman Tschewengur erzählt Platonow von den Anfängen der kommunistischen Gesellschaft, irgendwo bei Woronesch, südlich von Moskau. Er schildert alle Spielarten revolutionären Wahns.« Sonja Zekri, Süddeutsche Zeitung

»529 Seiten misst der Text des Romans in der Übersetzung von Renate Reschke; sein erzählerischer Reichtum kann nur angedeutet werden.« Bernhard Schulz, Der Tagesspiegel

»Ein Glanzstück der frühen sowjetischen Literatur halsbrecherisch, sprachlich virtuos, modern, komisch, und natürlich jahrzehntelang verboten.« SWR

»In der neuen Übersetzung von Renate Reschke gibt es kaum eine Seite ohne sprachlich überraschende, oft rätselhafte, auch bei fürchterlichem Inhalt lyrisch schöne Sätze, die man nicht nur einmal lesen möchte.« Thomas Borchert, Ruhr nachrichten

»Ein Kunstwerk von überwältigender Selbstständigkeit, ein Buch, das durch seine sprachliche Erfindungsgabe und Kraft auf jeder Seite Begeisterung erzeugt und das Bedürfnis laut vorzulesen. Andrej Platonow ist ein Sprachmagier der Klasse von Samuel Beckett, Kafka oder Laszlo Krasznahorkai ... « Uli Hufen, Deutschlandfunk Kultur

»In Tschewengur verblüfft und fesselt die bruchlose Verknüpfung von altertümlich religiösen mit zeitlos utopischen Heilsmotiven sowie zugleich absurd komischen mit gnadenlos realistischen Schilderungen des Jetzt. In der glänzenden Übersetzung von Renate Reschke gibt es kaum eine Seite ohne sprachlich überraschende, oft rätselhafte, auch bei fürchterlichem Inhalt lyrisch schöne Sätze, die man nicht nur einmal lesen möchte.« FOCUS online

»Andrej Platonows 1927 entstandener Roman Tschewengur ist nicht nur voll solch düsterer Absurditäten, er stellt auch die vielleicht radikalste Auseinandersetzung und Abrechnung mit dem Sozialismus in seiner sowjetischen Ausprägung dar.« ORF

»In der glänzenden Übersetzung von Renate Reschke (nach der Erstveröffentlichung 1990 neu überarbeitet) gibt es kaum eine Seite ohne sprachlich überraschende, oft rätselhafte, auch bei fürchterlichem Inhalt lyrisch schöne Sätze, die man nicht nur einmal lesen möchte.« Hamburger Abendblatt

Besprechung vom 28.06.2018

Dem Ingeniör ist's doch zu schwör
Zwischen Ethos, Eschatologie und Ennui: Andrej Platonows in der Sowjetzeit zunächst verbotener und jetzt wiederaufgelegter Roman "Tschewengur"

Das Tauwetter führte in der sowjetischen Literatur zu einer kleinen Gletscherschmelze, der große Klimawandel blieb jedoch aus. Er setzte erst mit der Perestrojka ein. Heute ist kaum noch erahnbar, mit welcher Gier man damals nicht nur in der ehemaligen UdSSR auf bisher weggesperrte Texte wartete. Lange waren sie im Giftschrank verschlossen gewesen, Platonows "Tschewengur" rund sechzig Jahre.

Die Texte von Andrej Platonow (1899 bis 1951) haben alle Phasen durchlaufen: Einige Erzählungen und Stücke wurden sofort veröffentlicht, andere nach Chruschtschows vorsichtigem Kurswechsel, "Die Baugrube" und "Tschewengur", beide als Roman rubriziert und nicht in Kapitel gegliedert, aber erst unter Gorbatschow. Der nun bei Suhrkamp wiederaufgelegte Roman "Tschewengur" hat dabei ein besonderes Schicksal, denn der Satz stand bereits, als die Publikation verboten wurde: Zwar sei Platonow, so Maxim Gorki in einem Brief 1929 an den Schriftsteller, ein "talentierter Mann", der über eine "höchst originelle Sprache" verfüge, doch: "Ob Sie es wollten oder nicht - aber Sie haben der Ausleuchtung der Wirklichkeit einen lyrisch-satirischen Charakter gegeben, was für unsere Zensur selbstverständlich unannehmbar ist."

Mit diesem Verdikt musste der Roman kühne Erwartungen wecken, als er 1988 erstmals in Russland erschien und 1990 in deutscher Übersetzung von Renate Reschke herauskam. Literaturwissenschaft, Kritik und Leserschaft haben sich im Grunde Gorkis Urteil angeschlossen, allerdings mit umgekehrten Vorzeichen: eine Dystopie und Aburteilung jeder kommunistischen Gesellschaft, ein Meilenstein der Literatur. Rezeptionsmotivisch öffnet sich hier eine Schatztruhe.

Der Einschätzung ließe sich zustimmen, reduzierte man "Tschewengur" auf die Farce: Als ein Fischer beschließt, "eine Zeitlang im Tod zu leben", kommt sein verwaister Sohn Sascha in eine Pflegefamilie, wird Ingenieur, geht auf Wanderschaft, schließt sich einem gewissen Stepan an, der auf seinem Pferd Proletarische Kraft auf der Suche nach dem Grab Rosa Luxemburgs ist. Sie gelangen nach Tschewengur, wo der Kommunismus mit todernster Einfalt eingeführt wurde. In diesem russischen Schilda darf einzig die Sonne arbeiten, wird der "Burshuis" verjagt oder erschossen, bis das Dorf leer ist und neues Proletariat hermuss. Die Frau ist freilich nur "in karger und menschlicher Form zulässig, nicht aber in voller Schönheit, denn die Schönheit der weiblichen Natur hat es schon im Kapitalismus gegeben".

Bei dieser Kritik an der "Revolution von oben" geht es um die Frage, wie öffentlich ein gesellschaftlicher Umbruch verhandelt werden darf, wenn er vor (vermeintlich) feindseligem Publikum gewagt wird. Simone de Beauvoir hat dies in "Die Mandarins von Paris" ebenso präzis wie zeitlos gültig durchgespielt. Platonows Farce versinkt jedoch in einem zähen Textbett, das reichlich religiös gepolstert ist. Fischer und Zimmerleute - der Ingenieur als Schöpfer? -, verlorene Söhne und Marienverehrung, Höllengrund und Wiederkehr des Herrn. Dem Don Quijote Stepan wird Sascha als Hiob zur Seite gestellt.

Platonow war selbst Ingenieur und - anfangs? - überzeugter Kommunist, er war gläubig und von der Philosophie Nikolai Fjodorows (1829 bis 1903) fasziniert, der ein allgemeines Auferstehungsszenario entworfen hatte. Und Platonow war integer. "Tschewengur" setzt vor dem Ersten Weltkrieg ein, und lange bevor von Fünfjahresplänen die Rede ist, werden die Menschen mit Vierjahreshungersnöten auf die Probe gestellt. Erdvernichtung als Voraussetzung für die Erdauferstehung aus Ruinen? Die Menschen folgen jedem Sarg "ohne Gefühl im Gesicht, selber bereit, unausweichlich zu sterben im Alltag der Revolution". Seine beiden Romane brachten Platonow in echten Konflikt mit der Macht, auch wenn er in "Tschewengur" möglicherweise eine Symbiose von Kommunismus und Christentum im Hinterkopf hatte; Vertröstungen auf die strahlende Zukunft sind immerhin beiden Konzepten gemein.

"Jede Zeit verdient ihre eigenen Übersetzungen", hat Swetlana Geier behauptet. Renate Reschke ist ihre fast zwanzig Jahre alte, aus anderer Zeit stammende Transposition für die Wiederauflage noch einmal durchgegangen. Wie sich zeigte, hatte sie Bestand. Ihre Interpretation funkelt auch heute. Allein, ihr Glanz vermag nicht über die literarischen Schwächen des Originals hinwegzutäuschen. Dem Roman ist ein Gespräch zwischen den beiden Schriftstellern Ingo Schulze und Dzevad Karahasan beigegeben. Letzterem ist zuzustimmen, wenn er Platonows Werk als "Mythourgie" definiert, als Arbeit am und mit dem Mythos, und es "vom literarischen Erzählen im engeren Sinne" abgrenzt. Das indes macht aus dem Meilenstein der Literatur einen weltanschaulichen Traktat.

CHRISTIANE PÖHLMANN.

Andrej Platonow: "Tschewengur - Die Wanderung mit offenem Herzen". Roman.

Aus dem Russischen von Renate Reschke. Suhrkamp Verlag, Berlin 2018. 581 S., geb.

© Alle Rechte vorbehalten. Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt.

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