Besprechung vom 14.07.2022
Und tapfer ist der Isländer
Vogelfrei: Das ist das Urteil, das den unglückseligen Fjalla-Eyvindur um 1760 trifft. Ein angeblicher Diebstahl macht ihn zum Außenseiter, der sich nach seiner Flucht aus der Haft im isländischen Hochland herumtreibt, begleitet von seiner treuen Frau. Einen von insgesamt zwanzig Wintern verbringen die beiden in Herðubreiðarlindir, in einer Höhle am Rand eines Lavafelds, den Schneestürmen gnadenlos ausgesetzt. Herðubreiðarlindir ist einer von sechzig "Lieblingsorten", die Arthúr Björgvin Bollason in seinem sehr persönlich gehaltenen Band über "Island" preisgibt. Er beschreibt Galerien, Cafés und Bars in Reykjavík, die nicht jeder Reiseführer ausplaudert, erkundet Heimaey, das Pompeji des Nordens, und erholt sich in den heißen Quellen von Hringsgil, mitten in der Wildnis. Frisch gestärkt kramt er weiter in der Schatzkiste seiner Kindheitserinnerungen und Recherchen und fördert ein Sammelsurium an Wissenswertem und Kuriosem zutage. Mit besonderer Freude folgt Bollason den Wegen der Sagas und Legenden, in denen sich die Lust der Isländer spiegelt, den Schrecken der Natur in Geschichten zu bannen. Wie etwa beim unglückseligen Fjalla-Eyvindur: Nach langen Jahren in der Einsamkeit holte man ihn zurück in die Gemeinschaft. Er war zu Unrecht verstoßen worden, wie sich herausgestellt hatte. Zumindest der Nachruhm ist ihm sicher. aber
"Island" von Arthúr Björgvin Bollason. Erschienen in der Reihe Lieblingsorte. Insel Verlag, Berlin 2022. 205 Seiten, mit zahlreichen Fotos. Broschiert
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