Besprechung vom 24.06.2021
Den Espresso bezahle ich dir
"Prendiamo un caffè!" Das bekommt man gerade noch hin. "Lass uns Kaffee trinken" übersetzt selbst der, der des Italienischen nicht mächtig ist. Doch Halt, ruft Barbara Schaefer, und erklärt in ihrem Buch, worin zumindest für Neapel der Fehler liegt. Das mit dem Caffè ist ein Ritual, etwas Besonderes, was alle eint, womit hier Arm und Reich gemeint ist. So erfährt man, wie es zum "caffè sospeso" kam: Wer diesen in einer Bar bestellt, bezahlt zwei. Der zweite ist für jemanden, der sich den Espresso nicht leisten kann. Es geht dabei weniger um Almosen als um Teilhabe. Schaefer taucht ein in die Unterwelt, auch im realen Sinn bei Touren in die unterirdische Stadt und Fahrten mit der Kunst-Metro. Natürlich geht es um Pizza, weil die einfachste Version, die Margherita, hier mit gutem Grund zum besonderen Anlass erfunden wurde, aber auch um den Ferrante-Effekt, den Einfluss des Buches auf das Leben der Frauen in Italien. Schaefer befragte eine linke Stadträtin zur Flüchtlingspolitik, ließ sich von einer Sängerin das neapolitanische Volkslied erklären, stromerte durch die Straßenschlucht Spaccanapoli und wartete mit den Einheimischen, ob sich das Blutwunder des San Gennaro ereignen würde. Und am Ende versteht man sogar, warum Maradona für Neapel so bedeutend war wie San Gennaro.F.A.Z.
"Neapel. Wo die Fische nach Vulkan schmecken" von Barbara Schaefer. Aus der Reihe "Lesereise". Picus Verlag, Wien 2021. 132 Seiten. Gebunden
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