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Love Me Tender

Roman | 'Eine der fesselndsten Stimmen seit Jahren.' - THE GUARDIAN

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Eine steile Karriere, angesehene Familie, Ehemann und Kind - Constance Debré hat all das und wendet sich davon ab. Sie entschließt sich zu einem Leben, das schon viele Männer vor ihr gewählt haben: Sie scheidet ihre Ehe, widmet sich ausschließlich dem Schreiben, verzichtet auf die materiellen Sicherheiten einer festen Wohn- oder Arbeitsstelle und geht mit immer anderen Frauen ins Bett. Doch anders als so viele Männer will sie den Kontakt zu ihrem Kind nicht abbrechen - das erwirkt ihr Ex-Mann, nachdem er von ihrer Homosexualität erfahren hat. In einem langwierigen Sorgerechtsstreit kämpft sie um ihren Sohn, der sich immer weiter von ihr entfernt. Während sie auf die finale Entscheidung des Familiengerichts wartet, taumelt Debré zwischen einer Vielzahl von Gefühlen: Angst vor dem Verlust des Sohnes neben Akzeptanz für dessen Entscheidung, dem Verlangen nach unverbindlichem Sex und dem Bedürfnis nach engeren Verbindungen, einer tiefen inneren Leere und zugleich einer nie zuvor gekannten Freiheit.

Ohne Zurückhaltung und in prägnanten Sätzen ringt die Autorin um Antworten auf Fragen von Mutterschaft, Identität und Liebe und geht dabei hart ins Gericht mit gesellschaftlichen Normen, Glaubenssätzen, bürgerlichen Institutionen und nicht zuletzt mit sich selbst.

Produktdetails

Erscheinungsdatum
07. März 2024
Sprache
deutsch
Auflage
2. Auflage
Seitenanzahl
149
Autor/Autorin
Constance Debré
Übersetzung
Max Henninger
Verlag/Hersteller
Originaltitel
Originalsprache
französisch
Produktart
gebunden
Gewicht
236 g
Größe (L/B/H)
200/122/17 mm
ISBN
9783751809573

Portrait

Constance Debré

Constance Debré, 1972 geboren, arbeitete als Anwältin, bevor sie sich in Vollzeit dem Schreiben widmete. Bisher veröffentlichte sie vier Romane.


Max Henninger, 1978 in München geboren, lebt, nach Aufenthalten in den USA und Großbritannien, seit 2006 in Berlin und arbeitet dort als Konferenzdolmetscher und Übersetzer aus dem Englischen, Italienischen und Französischen. Seine Sammlung politischer Essays

Armut Arbeit Entwicklung

erschien 2017 im Wiener Mandelbaum Verlag. Bei Matthes & Seitz Berlin übersetzte er

Feminismus für die 99 %

von Cinzia Arruzza, Tithi Batthacharya und Nancy Fraser sowie

Afrotopia

von Felwine Sarr.


Pressestimmen

»Debrés Roman erzeugt einen faszinierenden Sog.« - Niklas Bender, Frankfurter Allgemeine Zeitung Niklas Bender FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung 20240627

Besprechung vom 27.06.2024

Wenn die Welt zum Körper ohne Fett wird
Schonungslose Autofiktion: Constance Debrés drastische Selbstbespiegelung in "Love Me Tender"

Es gibt eine Vorstellung von Literatur als radikaler Grenzüberschreitung, als enthemmtem Exzess. Dass dieser Avantgardismus nicht irgendwann Ende der Sechziger still ausgestorben ist, sondern sich großer Vitalität erfreut, belegt Constance Debré mit "Love Me Tender". Ihr nicht ganz treffend als "Roman" bezeichneter Text ist im Bereich der Autofiktion angesiedelt und stellt ein asketisches Gegenstück zu Pierre Guyotat dar: Das Reduzieren aufs Elementarste, das Ausloten des existenziell-ästhetisch Machbaren - ein kompromissloser Job, der wohl getan werden muss, für die Literatur und ihre Geschichte. Und nebenbei enormen Erfolg bei Kritikern und Publikum hat.

Debrés Erzählerin, die der Autorin verdächtig ähnelt, berichtet, wie ihr Leben zerbröselt. Am Anfang steht der Beschluss, den Anwaltsberuf aufzugeben und sich dem Schreiben zu widmen, gekoppelt mit dem Coming-Out als Lesbe. Ihr Noch-Ehemann Laurent erweist sich als uneinsichtiger Rächer, der ihr den gemeinsamen Sohn Paul abspenstig macht, indem er sie des Inzests und der Pädophilie anklagt und den Umgang mit dem Achtjährigen sabotiert. Die mühselig mahlenden Mühlen der französischen Justiz sind seine unfreiwilligen Helfer, ebenso gutmeinende Mitarbeiterinnen einer Begegnungsstätte, die glauben, einer zerrütteten Familie mit Minibesuchen unter Aufsicht zu helfen.

Dieser Hälfte von "Love Me Tender" steht das Intimleben der Erzählerin gegenüber. Wut und Verzweiflung treiben sie in immer größere Extreme. Einerseits fährt sie ihre materielle Existenz auf ein Minimum herunter: "Dass ich blank bin, verleiht allem klare Konturen. Neun Quadratmeter, zwei Jeans, drei T-Shirts, die alte Jacke und meine alte Rolex, nur aus Jux, ein Kaffee am Tresen, ein Baguette, eine Schachtel Zigaretten, meine Schwimmbadkarte. Die Welt wird zu einem Körper ohne Fett." Sie wohnt in schrumpfenden Behausungen, schläft schließlich bei Freunden und Bekannten, isst, was sie bekommt, klaut in Supermärkten. Die Obdachlosenexistenz ruft, nur das tägliche Schwimmen ist ein Rückgrat: Sie ist "ein einsamer Cowboy".

Andererseits hat sie Sex: "Frauen, Frauen und noch mehr Frauen. Ich erhöhe die Dosis, denn die Wirkung lässt nach. Eine blonde Bullette, kurze Haare, sexy, die Marke am Gürtel, eine Knarre, sie mustert mich, ich sie, wir reden, sie ist im Dienst, ich gebe ihr meine Nummer. Ein Mädchen auf einem Motorrad, ich rufe ihr etwas zu, als ich vor ihr die Straße überquere, sie parkt ihr Motorrad und schließt sich mir an. Eine Schmetterling-Schwimmerin mit perfektem Körper, der ich am Ende der Bahnen Komplimente mache, wir treffen uns in der Umkleide." Für Sentimentalitäten ist kein Raum: "Hurensohn, steht auf meinem Bauch, wer mit mir ins Bett geht, hat das gelesen, das sind die Geschäftsbedingungen, Schätzchen."

Debrés Roman erzeugt einen faszinierenden Sog. Dabei übersieht man leicht die Ambivalenzen, die ihn durchziehen. Einerseits vögelt sich die Erzählerin durchs Leben, andererseits vertritt sie die absolute Liebe: "Liebe braucht nicht mal Gegenliebe, verlangt nichts, Liebe weiß, was sie ist, und zweifelt nie" - eine absurd romantische Vorstellung. Zum einen geht sie an der Trennung von Paul fast zugrunde, zum anderen ist Mutterschaft ihr ein Graus: "Wer möchte schon Mutter sein? Außer Leuten, die alles falsch gemacht haben im Leben." Man weiß nicht recht, ob sie es sich nur einredet, wenn sie behauptet: "Es ist anstrengend, aber auch erholsam, kein Haus zu haben, keine Familie, keine Liebe, kein Geld. Ich hätte es nie begriffen, wäre Paul bei mir gewesen."

Dass Debré sich nicht einfach mit ihrer Erzählerin identifiziert, legen reflexive Schleifen nahe: Eine Geliebte haut ihr um die Ohren, wie strapaziös ihr Pendeln zwischen den Extremen und wie anstrengend die Heldin selbst sei. Zudem verleiht Debré der Bipolarität eine Herkunft: Ruhe genießt die Erzählerin einzig in Montlouis bei ihrem drogensüchtigen Vater, wie sie ist er Auswurf einer großen Familie - abermals eine autobiographische Anleihe, denn Debré ist Enkelin und Nichte von Ministern. Ihr Vater, dieser "Inbegriff der Unschuld, der dreckigen Unschuld", lässt Liebe nicht an sich heran: "Wir lieben uns aus der Ferne. Käme ich ihm zu nah, würde ich sterben. Vielleicht macht mein Sohn das Gleiche." Die Familie mütterlicherseits, die standesbewusst ihre Sprösslinge mit acht Jahren ins Internat steckte, taugt ebenso wenig als Blaupause für familiäre Nähe.

Trotz der Herleitungen und Ambivalenzen nervt dieser "Baron de Charlus im Stil von Sid Vicious" irgendwann: Debré gefällt sich im Seelenstrip, als Bürgerschreck, in der Eiswürfel-Phrase. Die leicht angestaubte Avantgarde-Gestik hat Konsequenzen, denn "Love Me Tender" verflicht Autorin und Erzählerin, Ästhetik und Ethik - mit der Hauptfigur steht und fällt der Roman. Deren selbstgesetztes Limit ist die Liebe zu ihrem Sohn: "Meine Grenze ist Paul." Dringlicher als der hundertste Fick ohne Morgen scheint dann allerdings die Frage, warum der Sohn das böse Spiel seines Vaters spielt - und ob das nicht doch (auch) an der Heldin liegt. Selbstbetrug bestimmt diesen authentizitätswütigen Text paradoxerweise zudem in der zentralen Frage, ob Freiheit in der Unterwerfung unter grausame Umstände gefunden werden kann. Auf den Leser wirkt der Wunsch, "zugleich Meister und Sklave zu sein", quälend: Es entsteht der Eindruck einer sich selbst entfremdeten Existenz, die sich einredet, das große Los gezogen zu haben. Die finale Loslösung von Paul ist entsprechend unglaubwürdig: Freiheit meint hier den Wechsel von der Verletzung zur Selbstverstümmelung. NIKLAS BENDER

Constance Debré: "Love Me Tender". Roman.

Aus dem Französischen von Max Henninger. Matthes & Seitz,

Berlin 2024.

149 S., geb.,

© Alle Rechte vorbehalten. Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt.

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LovelyBooks-BewertungVon StrassenPrinzessin am 19.07.2024
Ziellos! Die starke Frau/Mutter aus dem Klappentext habe ich nicht gesehen. Sie ist ihre höchste Priorität und irgendwann mal ihr Sohn. ¿
LovelyBooks-BewertungVon simone_richter am 01.06.2024
Radikales Leben mit Mut, Freiheit & Sex und einem nervenzehrenden Sorgerechtsstreit. In ihrem ersten Leben ist Constance Debré Anwältin, verheiratet und hat einen Sohn. Doch mit 43 Jahren kündigt sie ihren Job, trennt sich von ihrem Ehemann, zieht aus der gemeinsamen Wohnung. Sie outet sich als lesbisch und wird Schriftstellerin.Das autofiktionale Buch ist radikal, so wie Debré jetzt ausschaut; raspelkurze Haare, Tattoos, Männerhemd. Erst lebt sie noch in einer Einzimmerwohnung, diese gibt sie auf und lebt dann zur Untermiete. Sie hat keinen Besitz mehr, Lebensmittel klaut sie und einen Job hat sie auch nicht mehr. Außerdem gibt es viel Sex mit Frauen statt Nähe. Dabei muss sie warten, auf ihren achtjährigen Sohn Paul. Laurent, ihr Ex-Mann, bricht den Kontakt ab und lässt sie nicht mehr zu ihrem Sohn. Ein Kampf um Besuchszeiten beginnt, mit Verleumdung und Entfremdung. Wie liebt man einen Sohn, wenn man es liebt allein zu sein?Ein Buch wütend aus feministischer Perspektive erzählt. Ein unangepasstes Leben mit Zerrissenheit und Schmerz. Hier wird rückläufig zu Annie Ernaux ein Leben aus dem priviligierte Dasein indie Klassenflucht geschildert. Debré ist wütend, weil ihr entgegen ihrer sonst jetzt praktizierten Freiheit der Sorgerechtsstreit mit Laurent um ihren Sohn sie aus ihrer Autonomie zurückwirft. Hier will eine Frau sich selbst treu bleiben mit Kraft und freien Willen. Ich möchte demnächst unbedingt mehr Von Constance Debré lesen.