Dennis Lehane ist ein hochgradig destillierter Krimi gelungen - edel und beißend.
Dennis Lehane ist ein Meister seines Fachs. Kaum jemand wie er schafft es, mit wenigen Worten so viel Atmosphäre und Nähe zu den Figuren zu schaffen, dass sie mit einem den Raum teilen. An seine Erfolge anknüpfend, die Mystic River und Shutter Island mit sich brachten, ist Lehane auch hier wieder ein garant für atemlose Spannung, verlorene Seelen und kuriose Situationen.In The Drop dreht sich alles um ein ausgeklügeltes Geld-System, bei dem die Tscheschenen-Mafia auf höchst organisierte Weise ihre illegalen Einnahmen über wechselnde Bars strömen lässt. Eine dieser Bars ist Cousin Marv, dessen gleichnamiger Besitzer seinem Los nachtrauert, den Schuppen vor zehn Jahren an die Mafia abgetreten zu haben, obwohl er Größeres mit seinem Leben vorhatte. Sein echter Cousin Bob ist die treue Seele, die trotz aller Widrigkeiten und des Scheiterns einer eigenen, skrupellosen Gang auf der Suche nach seinem Platz in diesem Universum ist. Da fügt es sich mal zum Guten, dass Bob einen schwer misshandelten Welpen rettet und bei sich aufnimmt. Unterstützt wird er dabei von der etwas dubiosen Fremden Nadia, die neue Gefühle in ihm erweckt. Doch als hätte das Schicksal eigene Pläne mit Bob, Marv und Nadia, gerät das Glücksrad des Lebens immer weiter ins Schlingern, als die Bar Cousin Marv ausgeraubt wird und die Tscheschenen den nächsten Drop im Cousin Marv deponieren wollen. Erschwert wird Bobs Leben durch einen Detective, der das Verschwinden eines Gastes vor zehn Jahren untersucht sowie die baldige Schließung seiner Kirche, die an seinen Glaubensgrundsätzen rüttelt.Lehane serviert dem Leser einen hochgradig destillierten Whisky, keinen gewöhnlichen Roggenschnaps vom untersten Regal der Bar, sondern den besonders edlen, irischen Single-Malt-Tropfen für spezielle Gelegenheiten. Auf den 223 Seiten schildert er treffgenau das Milieu eines Problemviertels, deren Bewohner sich jeden Tag miteinander im Krieg befinden. Dennoch gibt es zartere Seelen, die noch nicht aufgegeben haben und sich an eine Ordnung halten, die sie die tägliche Brutalität aushalten lassen. Der Protagonist Bob, der einen tumben, aber im Herzen redlichen Charakter verkörpert, ist genau so eine Seele. Er verliebt sich in Nadia und erkennt es zunächst nicht einmal. Zu groß ist seine Unsicherheit im Umgang mit Menschen und der Umwelt, die ihn bisher nur ausgenutzt hatte. Er fühlt sich durchgekaut und ausgespuckt wie ein Kaugummi, ohne zu wissen, ob er überhaupt genießbar war. Die Dialoge funkeln vor diesen Konflikten und ziehen einen in den Bann der Geschichte, die von Beginn an ausweglos erscheint. Trotzdem fiebert man mit Bob mit, der etwas Besseres als eine Kugel im Kopf verdient hat. Dabei erzeugt Lehane eine gelockerte Stimmung, indem er Bob auf teils komische Weise Hindernisse überwinden lässt, die jede Menge schwarzen Humor produziert. Dadurch ist der Roman nicht düster, sondern beschwingt und bärbeißig. Ein Krimi, den ich nicht aus der Hand legen konnte. Bravo!