Spätestens seit ich Per Anhalter durch die Galaxis gelesen hatte, habe ich ein Faible für humoristische Sci-Fi, daher sprach mich diese, ja man könnte schon sagen Klassiker Neuauflage, gleich an, als ich sie im Programm der Hobbit-Presse entdeckte. Nun will ich dieses Buch natürlich nicht mit dem legendären Don't Panic vergleichen, aber eine Frage bleibt trotzdem: konnte es mich unterhalten?Die spinnen, die MenschenDie Ausgangssituation ist schnell erzählt: Zwei Außerirdische landen 1992 in Barcelona. Mit ihren formwandelnden Fähigkeiten nehmen sie schnell Kontakt zur einheimischen Lebensform, den Menschen auf, doch schon nach diesem ersten Kontakt verschwindet der Techniker Gurb spurlos. Allein in einem Raumschiff, dass er nicht warten kann und das deshalb schnell defekt geht, bleibt dem namenlosen Kapitän nichts anderes übrig, als sich auf die Suche nach seinem Kameraden zu machen.Das Buch hält sich nicht lange mit Vorgeplänkel auf, sondern startet an Tag eins, an dem es "Nicht Neues von Gurb¿ gibt. Überraschend für mich war, dass tatsächlich das ganze Buch in Form von Tagebuch bez. Logbuch Einträgen geschrieben ist, die mal länger, mal sehr kurz sind. Wer also kein Fan von Brief- und Tagebuchromanen ist, hat es mit Gurb vielleicht etwas schwer.Da ich prinzipiell keine Probleme mit dieser Erzählform hatte, las ich aber munter weiter und zunächst gefiel mir das Buch wirklich gut. Unser galaktischer Kapitän muss sich erstmal in den Wirren der spanischen Großstadt zurechtfinden, was ziemlich amüsant ist. Zu einem in klassischer Slapstick Manier, wenn er zum Beispiel das System von Straßen noch nicht versteht und mehrfach überfahren wird (was ihm jedoch nicht allzu schadet). Zum anderen aber auch ein bisschen philosophischer in den Momenten, in denen er versucht, die Spezies Mensch zu verstehen und dem/r Leser/in dabei allerhand Absurditäten unserer Gesellschaft vor Augen führt, die oftmals kaum einen anderen Schluss zulassen als: Die spinnen, die Menschen. In solchen Momenten, wo uns der Autor pfiffig den Spiegel vor die Nase hält, macht das Buch richtig Spaß.Gurb Wer?Doch auch wenn die aberwitzigen Situationen, in die unser Kapitän gerät, lustig sind, irgendwann fragt man sich schon: Was ist eigentlich mit Gurb? Denn nachdem der Kapitän erstmal ein paar Menschen und das Leben in der Großstadt kennengelernt hat, scheint er sich immer weniger wirklich um Gurb zu bemühen. Stattdessen richtet er sich in einer Wohnung ein, versucht die Nachbarin zu bezirzen, isst Churros bis zum Umfallen und abends hebt er gern mal die Kante. Alles in allem hat man mit Verlauf der Handlung immer weniger das Gefühl, dass der Kapitän Gurb überhaupt wirklich sucht. Er schreibt zwar fleißig in sein Logbuch "Nichts Neues von Gurb¿ und denkt auch öfters an ihn, aber wirklich aktiv was unternehmen, außer bei seinen Erledigungen ein bisschen Ausschau zu halten, macht er nicht.Es mag der Veröffentlichungsgeschichte des Romans geschuldet sein, dieser wurde nämlich ursprünglich in einzelnen Episoden in einer Zeitung veröffentlicht, aber durch dieses fehlende Engagement des Kapitäns verliert die Handlung spätestens ab der Hälfte ihren roten Faden und man hat immer mehr den Eindruck hier eine Aneinanderreihung von mehr oder weniger lustigen Situationen zu lesen, als eine zusammenhängende Geschichte.Auch muss ich leider sagen, dass das Buch nicht gut gealtert ist, gerade was die weibliche Perspektive angeht. So bekommt der Kapitän bei seinen Recherchen zu korrekten Verhaltensweisen zu dem Schluss, dass es völlig ok sei, Frauen Gewalt anzutun:"Frage: Wann muss ein Herr einer Dame Respekt erweisen? Antwort: Wenn sie sich durch ihre moralischen Qualitäten, ihre gesellschaftliche Stellung, ihre züchtige Kleidung und ihre persönliche Hygiene dafür qualifiziert. In allen anderen Fällen ist der Rückgriff auf Gewalt eine Option"(Nichts Neues von Gurb von Eduardo Mendoza, Klett-Cota, 2024.)Auf wie vielen Ebenen diese Aussage misogyn, menschenverachtend und problematisch ist, brauche ich, so hoffe ich, nicht erläutern. Nun könnte der Autor dies ja satirisch gemeint haben, in dem er seine Figur bewusst etwas falsch verstehen lässt. Allerdings wird diese Passage im weiteren Verlauf des Buches nie korrigiert, der Irrtum nicht aufgedeckt oder diese Ansicht anders in einen Kontext gesetzt, der einen überspitzten satirischen Charakter zum Ausdruck bringen könnte. Damit steht sie also einfach nur so da, als Aussage, nicht als Satire und das sehe ich als höchst problematisch und bei aller Liebe für Klassiker als nicht mehr tragbar an.Fazit:Ist auch der der Menschheit vorgehaltene Spiegel oftmals amüsant, und erlebt der Alienkapitän auch so einige urkomische Situationen, so kann dies leider spätestens ab der Hälfte des Romans nicht mehr darüber hinwegtäuschen, dass der eigentliche rote Faden der Handlung zunehmend flöten geht. Die Geschichte mag als Episodenroman in der Tagezeitung gut funktioniert haben, als eigenständiger Roman hingegen fehlt es an Substanz.Folge mir ;)Diese und andere aktuelle Rezensionen (mit zusätzlichem Coververgleich Deutsch/Original) findet ihr auch auf meinem Blog Miss PageTurner (https://miss-pageturner.de)