Viele junge Menschen weltweit haben das Gefühl, dass sie um ihr Leben und ihre Zukunft kämpfen müssen: Wenn sie keine Hitzewelle erwischt, dann eben eine Dürre. Oder der Anstieg des Meeresspiegels, eine Hungersnot oder ein übermächtiger Hurrikan. Hannah Ritchie ist selbst jung und kennt dieses Gefühl. Doch sie argumentiert: Wir werden nicht zur letzten Generation gehören, sondern zur ersten. Zur ersten Generation, die die Umwelt in einem viel besseren Zustand übergeben wird, als sie sie vorgefunden hat. Ihre Botschaft macht Mut und basiert auf neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen.
Besprechung vom 30.11.2024
Nachhaltig geht doch
Die großen Probleme der Zeit sind riesig. Doch manche schrumpfen. Selbst in der Klimakrise.
Von Lukas Fuhr
Von Lukas Fuhr
Probleme gibt es wirklich genug auf der Welt, da müssten die ganzen Bücher nicht auch noch sein, die einem das unter die Nase reiben. Klimawandel, Luftverschmutzung, Entwaldung, Plastik im Meer. Wer will schon bei einer Tasse Tee nachlesen, Mitglied einer Spezies zu sein, die alles immer schlimmer macht? Trotzdem ist es ein Glück, dass es in Hannah Ritchies Buch gerade um Klimawandel, Luftverschmutzung, Entwaldung und Plastik im Meer geht. Die Schottin, die an der Universität Oxford und für das Onlineportal "Our World in Data" arbeitet, ist das Gegenteil einer Klimawandelleugnerin. Sie kennt schließlich die Daten. Aber sie ist auch eine Gegnerin von "Untergangsdenken", bei dem man vor lauter Menschheitsproblemen gar nicht mehr sieht, dass das Ende der Welt doch nicht bevorsteht.
Das gilt selbst für das größte Problem, mit dem sich Ritchie befasst: den Klimawandel. Ja, es stimmt - noch steigen die globalen Emissionen. Aber schaut man auf die Emissionen pro Kopf, ist die Trendwende schon geschafft. Mittlerweile steigt der Wohlstand in vielen Ländern, ohne dass dafür mehr Kohle, Öl und Gas verbrannt werden müssen. Was heißt das konkret? Die Autorin, 1993 geboren, rechnet vor: Ihr CO2-Fußabdruck ist nur halb so groß wie der ihrer britischen Großeltern, als diese in den 1950er-Jahren so alt waren wie sie jetzt. Dabei gibt Ritchie zu: "Ich lebe nicht so bescheiden. Ich produziere mehr Müll. Ich habe viel mehr elektronische Geräte an der Steckdose" - aber die für all das benötigte Energie ist heute eben viel emissionsärmer als in den 1950er-Jahren. Damals war King Coal noch quicklebendig, mittlerweile verbrennen die Briten gar keine Kohle mehr.
Ritchie macht nicht nur überall da Hoffnung, wo es Grund dafür gibt - sie hilft auch, Prioritäten zu setzen (Papiertüten statt Plastiktüten verhindern nicht die Erderwärmung). Und sie verschweigt nicht, was sich doch noch ändern muss. Wer aber das Buch gelesen hat, weiß hinterher viel besser, welche Sorgen sich noch lohnen. Und welche sich bald erledigt haben dürften. Damit baut Ritchie praktischerweise eine große Sorge ab, die sie selbst hat: dass sich zu viele Millionen Menschen von den Problemen vor uns lähmen lassen, gar nicht mehr handeln, und damit verhindern, dass die Welt nachhaltig wird, obwohl das geht. Das geht, wir sind schon mitten dabei.
Hannah Ritchie: "Hoffnung für Verzweifelte". Wie wir als erste Generation die Erde zu einem besseren Ort machen.
Aus dem Englischen von Marlene Fleißig. Piper Verlag, München 2024. 384 S., geb.
© Alle Rechte vorbehalten. Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt.