Eine lebhafte Naturkunde über einen mystischen Vogel, die voller Überraschungen steckt - faszinierend, fesselnd, informativ.
Verblüffende Fakten über die Vögel der Nacht
Neueste Erkenntnisse zu den außergewöhnlichen Eigenschaften und Verhaltensweisen der Eule: Vogelexpertin Jennifer Ackerman erzählt spannend und informativ von den symbolträchtigen Tieren.
Ihre Fähigkeit, den Kopf auf den Rücken zu drehen, ihr forschender Blick, ihr lautloser Flug - Eulen ziehen uns Menschen seit alters derart in den Bann, dass sie als Symbol für Weisheit und Wissen gelten. Aber was weiß eine Eule wirklich?
Die Vogelexpertin Jennifer Ackerman offenbart Erstaunliches: Eulen übermitteln mit ihren Rufen gezielt Informationen über sich selbst. Ihr Gehör ist so fein, dass sie ihre Beute, tief unter einer Schneedecke versteckt, allein aufgrund des Geräusches jagen können, manche Töne werden sogar im Sehzentrum des Gehirns verarbeitet, und ihr Beutezug folgt mathematischen Regeln. Eine lebhafte Naturkunde über einen mystischen Vogel, die voller Überraschungen steckt - faszinierend, fesselnd, informativ.
»Eine sehr ergiebige und höchst empfehlenswerte Lektüre. « Josef H. Reichholf
»Ein Muss für alle Vogelliebhaber. « The Guardian
»Ackerman ist so begeistert von ihrem Thema, dass wahrscheinlich selbst Vogelmuffel von ihren Begegnungen mit Eulen und den engagierten Menschen, die sie studieren, fasziniert sein werden. « The New York Times
»Das vielleicht beste populäre und mit Fakten gefüllte Wissensbuch über Eulen, das es gibt. « Denver Holt, Owl Research Institute
Besprechung vom 22.11.2024
Der Traum von der Mäusejagd
Superaugen, Spitzengehör und leiser Flug: Jennifer Ackerman unternimmt einen Streifzug durch die beeindruckende Welt der Eulen.
Eulen spielen in Aberglaube und Folklore eine besondere Rolle. Sie gelten als Symbol der Weisheit, obwohl doch ausgerechnet über diese tagscheuen Vögel lange Zeit nur wenig Faktenwissen vorlag. Manchem mochten sie als schlechtes Omen erscheinen, wobei sie dank J. K. Rowlings "Harry Potter"-Reihe von einem enormen Sympathie-Schub profitieren, ist doch eine Schnee-Eule namens Hedwig die persönliche Botin des Zauberlehrlings. Leider ufert die Eulen-Begeisterung in Teilen Asiens so sehr aus, dass der illegale Handel mit den Vögeln in die Höhe schießt.
Jennifer Ackerman wollte es nicht beim Halbwissen belassen und hat sich mit der Biologie der Eulen und der aktuellen Forschung zu ihnen beschäftigt, Fachliteratur gelesen, Wissenschaftler interviewt, ihnen bei der Arbeit über die Schulter geschaut und sie oft wochenlang begleitet. Die Mehrzahl dieser Forscher ist in das "global owl project" eingebunden, ein Konsortium von vierhundertfünfzig Spezialisten aus sechsundsechzig Ländern.
Ein solches Großprojekt ergibt schon deshalb Sinn, weil die gesamte Gruppe der Eulen mehr als zweihundertsiebzig Arten umfasst, vom winzigen Elfenkauz bis zum Riesenfischuhu. Anhand der neueren Forschungsergebnisse will Ackerman mehr über die Fähigkeiten und Leistungen der so verschiedenen Mitglieder dieser Vogelordnung vermitteln. Was sie den Lesern dazu präsentiert, ist spannend, manchmal geradezu atemberaubend.
Eulen sind Prädatoren mit einem weiten Beutespektrum von kleinen und mittelgroßen Säugetieren über Vögel und Insekten bis hin zu Aas - selbst von gestrandeten Walen in Kalifornien. Sie sind das (meistens) nachtaktive Gegenstück zu den Taggreifvögeln und haben im Laufe ihrer Evolution durch die Verschiebung des Aktivitätsgipfels eine eigene, konkurrenzmeidende Nische geschaffen. Um sich in der Dunkelheit zu orientieren und Beute zu machen, haben sie raffinierte Anpassungen entwickelt: Superaugen, Spitzengehör und leiser Flug.
Die großen Augen sind aus Platzgründen von den Seiten nach vorn verlagert und erzeugen so ein menschenähnliches Gesicht, was einzigartig unter den Vögeln ist. Stünden menschliche Augen in einem vergleichbaren Verhältnis zum Körper, würden sie knapp zwei Kilogramm wiegen. Die Pupille kann fast das ganze Auge einnehmen, die für die Nachtsicht zuständigen Zäpfchen sind auf der Retina besonders dicht gepackt.
Die Ohren haben große, asymmetrische Öffnungen, das dichte Gefieder der Gesichtsscheibe dient als Schalltrichter, wobei jede Feder durch einen Muskel steuerbar ist. Die Sinneshaare der vierfach vergrößerten Cochlea erneuern sich unablässig. Eulen können Töne dreidimensional orten. Ein Teil des Hörnervs zweigt ins Sehzentrum ab, wodurch ein visuelles Bild des Gehörten entsteht. Der nordische Bartkauz kann Mäuse in ihren Gängen unter einer fünfzig Zentimeter dicken Schneeschicht ausfindig machen.
Um die Beutetiere überraschen zu können, haben Eulen einen nahezu lautlosen Flug entwickelt. Das gelingt, weil ihr dichtes Gefieder samtweich ist, die sehr elastischen Schwungfedern zur Vermeidung von Luftturbulenzen an ihrer Vorderseite kammartig und hinten ausgefranst sind. Ein solcher schallschluckender Effekt soll zukünftig in der Bionik Anwendung finden, um Flugzeuge und Rotorblätter von Windrädern leiser zu machen.
Kommunikation in der Dunkelheit gelingt am besten akustisch. Eulen rufen viel und in den unterschiedlichsten Tönen beziehungsweise Geräuschen. Jedes Individuum einer Population lässt sich anhand seiner Stimme unterscheiden. Die niedrige Frequenz der Rufe ermöglicht maximale Reichweite bei minimaler Anstrengung. Tagsüber verhalten sich viele Arten still und sind durch ihr geflecktes Gefieder hervorragend getarnt, wenn sie sich zum Beispiel reglos an einen Baumstamm schmiegen, von dessen Rinde sie sich kaum abheben.
Da Eulen die Knochen, Haare oder Federn ihrer Beute nicht verdauen können, würgen sie ballenförmige Gewölle hervor, die diese Überreste enthalten. Die Analyse aufgefundener Gewölle entschlüsselt nicht nur das Spektrum der Beutetiere, sondern erlaubt auch Aussagen über deren Vorkommen und Häufigkeit - gerade bei Mäusen und anderen Kleinsäugern, die genauso schwer zu entdecken sind wie ihre Jäger.
Viele Eulen müssen bei der Aufzucht ihrer Jungen mit einem sehr schwankenden Angebot an Nahrungstieren zurechtkommen, man denke an die Zyklen der Lemminge und anderer Nager. So kann die Zahl der Eier pro Gelege zwischen drei und zehn variieren. In Hungerjahren fressen die größeren Jungen die kleineren, damit wenigstens ein Teil der Brut überleben kann.
Noch vor zwanzig Jahren bedeutete Eulenforschung harte, frustrierende Freilandarbeit, und die Suche nach in Baumhöhlen versteckten Nestern war ein Glücksspiel. Von einigen Arten wusste man praktisch nichts. Mit den technischen Fortschritten und multidisziplinären Ansätzen ist das Wissen über die versteckt lebenden Eulen enorm gewachsen. Das ist den Nestkameras, Endoskopen, Richtmikrofonen mit Dauerrekordern, der Radiotelemetrie mit Miniatursendern, der Klangspektrographie, neurophysiologischen und neuen molekularbiologischen Methoden zu verdanken.
Ackerman hat aus diesen Informationen ein anregendes und lesenswertes Buch gemacht, auch wenn sie ihre Begeisterung für die Nachtvögel gelegentlich ein wenig überdehnt. Es mag zudem knifflig sein, zoologische Fachausdrücke richtig zu übersetzen, aber einige Ausrutscher (Klauen statt Krallen, American Robin übersetzt als Rotkehlchen statt Wanderdrossel) hätten dem Lektorat auffallen müssen. Zu begrüßen sind dagegen das umfangreiche Literaturverzeichnis und das ordentliche Register.
Eulen sehen und hören, was wir nicht wahrnehmen können, spielen gern, besitzen ein exzellentes räumliches Gedächtnis und sind auf ihre Art intelligent. Deshalb überlegt die Autorin, ob sie ein Bewusstsein haben. Immerhin können sie Trauer wie Freude zum Ausdruck bringen, und es gibt Hinweise, dass sie im REM-Schlaf vom Mäusefang träumen. Können wir uns also in die Lebensweise dieser Vögel hineinversetzen? Ackerman konfrontiert uns mit vielen faszinierenden Fakten. Aber wie es ist, eine Eule zu sein, wird uns weiterhin verborgen bleiben. KARL SCHULZE-HAGEN
Jennifer Ackerman: "Die Weisheit der Eulen". Der geheimnisvollste Vogel der Welt und seine Talente.
Aus dem Englischen von Sebastian Vogel. dtv Verlag, München 2024. 376 S., Abb., geb.
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