Beim Essen hört gewöhnlich der Spaß auf. Unsere Geschmacksnerven wurden von klein auf an bestimmte Gerichte gewöhnt, sodass jede Abwendung davon nicht toleriert wird. Dafür gibt es lustige Beweise. In einer Fernsehsendung über gesundes Essen durften in einer Fußgängerzone einmal Menschen zwei Gerichte vergleichen: einmal aus der Büchse des Discounters und dann das gleiche Gericht, gekocht von einem Profi-Koch mit gesunden Zutaten. Die eindeutige Mehrheit war für die Büchse.Offenbar ist den beiden Autoren dieses Kochbuches ein solches Verhalten wohlbekannt. Was sie als "Neuerfindung der gesunden Küche" präsentieren ist nichts weiter als das "Aufpeppen" bekannter Gerichte mit vorgeblich gesunden, aber gelegentlich auch schwer beschaffbaren Zutaten. So werden beispielsweise Bratkartoffeln mit Topinambur gemischt. Wer Topinambur nicht kennt, gehört zur Zielgruppe dieses Buches, weil er sich mit gesunden Rezepten nämlich nicht auskennt und hier das Gefühl bekommen soll, dass nun alles Bekannte viel gesünder zubereitet und außerdem noch gut schmecken wird.Riedl und Lafer versuchen sich also im Toleranzbereich des Normalbürgers zu bewegen und dort etwas gesünder zu kochen. Wer Fleischverzicht für die Rettung des Planeten erwartet, muss damit klarkommen, dass auch mit diesen Gerichten die Klimakatastrophe aus deutschen Küchen heraus nicht abgewendet werden wird.Für Frauen, die gerne übersichtliche Gerichte zu sich nehmen, bietet dieses Kochbuch jede Menge Rezepte. Insbesondere wenn die Zubereitungszeit für einen kleinen Salat im Stundenbereich liegt, kommt Freude auf. Ob das Genuss-Erlebnis den Aufwand tatsächlich rechtfertigt, muss jeder für sich entscheiden. Mir jedenfalls hat das "vegane Rote-Bete-Carpaccio" nicht gemundet, und meine Frau hat mich für verrückt erklärt, nachdem ich ihr endlich nach einer Dreiviertelstunde sieben Scheiben rote Bete, garniert mit fünf Blättern Mangold, etwas geraspeltem Topinambur, fein angerichtet mit einem Orangen-Ingwer-Dressing servierte. Mein Hinweis, dass da Knoblauch dran ist und dass man von Topinambur leichte Blähungen bekommt, trug dann auch nicht zur Verbesserung der Lage bei.Kurz gesagt: Dieses Kochbuch kommt mit einer Vielzahl von bekannten Gerichten daher, die mit als gesund angesehenen Zutaten verändert wurden. Man muss sich also scheinbar nicht umgewöhnen und kann sich einreden, dass man viel gesünder isst. Sicher ist das ein Fortschritt, wenn man sich vorher von Fastfood oder anderem ungesunden Zeug ernährt hat. Die beiden Autoren fahren also nicht die harte Tour, für die es bereits viele Kochbücher gibt, sondern versuchen sich im gewohnten Bereich zu bewegen, der von Menschen besiedelt ist, die keine Radikalität und keinen anderen als den bekannten Geschmack mögen.Solche Menschen würden sich auch nie ein Kochbuch mit dem Titel "Medizinische Küche" kaufen, weshalb man besser zum Englischen übergegangen ist. Da klingt es nicht ganz so nach Krankenhaus, spricht dafür aber wieder Leute an, die mehr Radikalität erwarten und dann enttäuscht sind. Irgendwie ist das wenigstens lustig.