Am Hafen von Norrtälje taucht ein mysteriöser Container auf, der niemanden zu gehören scheint. Zuerst geschieht nichts. Doch während seine Herkunft geklärt wird, strömt ein bestialischer Gestank heraus, der Böses in Gang setzt."Unwesen" von John Ajvide Lindqvist ist ein atmosphärischer Horror-Roman, der jedoch weniger durch klassische Schockmomente und übernatürliche Schrecken überzeugt, sondern vielmehr durch eine düstere, psychologisch aufgeladene Erzählweise, die sich über die Entwicklung seiner Charaktere entfaltet. Die Geschichte spielt in der verschlafenen schwedischen Küstenstadt Norrtälje, wo ein mysteriöser Container auftaucht - ein Katalysator für eine dunkle Veränderung, die sich über die Stadt und ihre Bewohner legt.Die Bedrohung, die von dem Container ausgeht, bleibt zunächst vage und unklar. Der Einfluss auf die Menschen ist subtil, aber tiefgreifend: Die Atmosphäre wird zunehmend von Pessimismus, Misstrauen und einem Verlust der Empathie geprägt. Der Container selbst ist dabei eher ein symbolisches Element als ein zentraler Handlungsträger. Lindqvist konzentriert sich auf die Veränderung, die die Menschen erfahren. Sie entdecken das Unwesen der Menschlichkeit in sich, verlieren ihre Fähigkeit, das Gute in ihrem Leben oder ihren Mitmenschen zu erkennen.Trotz dieser unheimlichen Ausgangslage gelingt es dem Autor nicht, die Geschichte mit den klassischen Elementen des Horrorgenres aufzuladen. Die unheilvolle Präsenz des Containers ist spürbar, doch die Spannung bleibt auf der Strecke. Das führt dazu, dass der Roman eher eine Atmosphäre der Bedrohung vermittelt als fesselnden, subtilen Horror, wie man ihn vielleicht erwarten würde.Die Stärke des Romans liegt definitiv in seiner Charakterzeichnung. Besonders im Mittelpunkt steht Siv, eine alleinerziehende Mutter, die mit ihrer Tochter Alva lebt. Hinzu kommen Anna, Max, Johan und Marko. Sie alle haben mit ihren eigenen Problemen und persönlichen Dämonen zu kämpfen.Für die Handlung und Darstellung der Figuren wechselt der Autor geschickt zwischen der Kindheit der Figuren und der Gegenwart. Das ermöglicht beim Lesen, die komplexen Beziehungen und die Entwicklung der Charaktere nachzuvollziehen. Es zeigt sich, warum sie zu den Personen geworden sind, die sie im Heute darstellen.Gefallen hat mir, dass die Figuren großteils nicht außergewöhnlich oder übermäßig dramatisch sind. Sie wirken realistisch und nachvollziehbar. Dadurch wird die Bedrohung durch den Container noch spürbarer. Jedenfalls macht das die Geschichte psychologisch interessant, aber auch stellenweise schleppend und weniger fesselnd.Damit komme ich zum Mangel an Spannung, was für mich ein deutliches Manko an "Unwesen" ist. Der Plot plätschert vor sich hin, ohne dass ein intensiver Höhepunkt erreicht wird. Die Dynamik entsteht durch das Wechselspiel aus Vergangenheit und Gegenwart und durch das langsame Erzählen baut sich Stimmung auf, aber der Spannungsbogen bleibt flach. Die Bedrohung ist durchwegs spürbar, entfaltet sich aber zögerlich und entbehrt einer fühlbaren Zuspitzung.Dadurch habe ich den Roman als langatmig empfunden. Wenn ich nicht das Hörbuch gehört hätte, dann hätte ich das Buch vermutlich abgebrochen. Trotzdem hat mich das Ende auf weitere Werke des Autors neugierig gemacht.Für mich waren die interessante Grundidee und die Figuren die stärksten Aspekte an diesem Roman, aber das zähe Tempo hat mein Leseerlebnis deutlich getrübt.Insgesamt empfand ich "Unwesen" als ungewöhnlichen Horror-Roman, der mehr Wert auf psychologische Tiefe und die Entwicklung seiner Figuren als auf klassischen Aufbau von Spannung legt. Der Container blieb mir zu sehr ein symbolisches Element, dessen wahre Bedrohung sich vor allem in der Veränderung der Menschen zeigt.Wer mehr an einer atmosphärischen Erzählung und Charakterentwicklung als an klassischen Spannungsmomenten interessiert ist, wird "Unwesen" vermutlich schätzen, andere könnten sich aufgrund der schleppenden Erzählweise und des fehlenden Spannungsbogens eher langweilen.