Die Entwicklung von Systemen mit künstlicher Intelligenz beherrscht seit einiger Zeit die Schlagzeilen. Die einen sehen darin fantastische Möglichkeiten für die nähere Zukunft, Kritiker befürchten Arbeitslosigkeit und die totale Überwachung der Menschheit. Im Rennen um die Entwicklung von KI läuft China den USA inzwischen den Rang ab. Europa scheint abgeschlagen. Das ist die Grundbotschaft des Buches "AI Superpowers" von Kai-Fu Lee.
China: Vom Kopisten zum Technologieführer
Der Autor ist in der Tech-Szene kein Unbekannter. Der ehemalige Chef von Google-China gilt als KI-Experte, ist ein gefragter Redner und investiert in Startups in seiner Heimat. Galt China lange Zeit als "Copycat", das innovative Geschäftsmodelle und Internetangebote des Westens einfach Pixel für Pixel nachgebaut hat, zählt das Land inzwischen zu den internationalen Technologieführern. Ohne die Technik des Konzerns Huawei würden beispielsweise viele Mobilfunknetze nicht funktionieren. Und auch im Handel richtet sich der Blick immer stärker nach China, wo viele Techniken entwickelt werden, die Supermärkte und Warenhäuser der Zukunft bestimmten könnten.
Als unmittelbar Beteiligter zeichnet Lee in seinem Buch aber nicht nur diese Geschichte nach und erklärt, warum so viele US-Unternehmen aus dem Silicon Valley in China gescheitert sind. Er bietet dem Leser auch einen faszinierenden Blick in die aktuelle Entwicklung von Künstlicher Intelligenz und deren Fortschritten.
Optimistische Einstellung zur KI
Aus den Zeilen des Buchs spricht an vielen Stellen deutlich der Stolz auf das eigene Land und dessen technologische Erfolge. So verwundert es nicht, dass kritische Stimmen zur politischen Situation des kommunistischen Staates nicht vorkommen.
Und eigentlich sieht er in der politischen Situation, der Überwachung, Zensur und vor allem der fehlenden Privatsphäre innerhalb des Landes sogar einen Standortvorteil für die Entwicklung von künstlicher Intelligenz. Denn in China müsse eben nicht zu jeder Entwicklung ein moralischer Konsens gefunden werden, wie dies im Westen der Fall sei.
So besitzt China eben den größten Datenmarkt der Welt. Ein aus seiner Sicht gewichtiger Vorteil, der durch eine von der Regierung betriebene finanzielle Unterstützung der KI-Forschung noch vergrößert werde.
Was das Buch so lesenswert macht, sind das tiefe Fachwissen und die klugen Analysen von Lee, der anschaulich beschreibt, wie Künstliche Intelligenz den Alltag der Menschen verändert wird. Was auch den Blick dafür schärft, wie viel KI uns allen bereits heute begegnet.
Geprägt ist das Buch auch durch einen persönlichen Optimismus gegenüber der Technologie. Und der ist aus einem Schlüsselerlebnis erwachsen. Eine Krebserkrankung veränderte nicht nur seine Arbeitsweisen, sondern auch den Blick auf die Entwicklung von KI-Systemen. Seiner Ansicht nach bietet KI die Chance, das Leben der Menschen stärker von der Ökonomie zu entkoppeln. Und wo Maschinen für uns arbeiten, werden sich die Menschen wieder verstärkt ihrer Menschlichkeit bewusst werden.
Management-Journal-Fazit: Das Buch widmet sich nicht nur einer der Zukunftstechnologien schlechthin, sondern bietet auch einen Einblick in das chinesische Wirtschaftsleben und Selbstverständnis. Ein Wirtschaftsbuch, das es durchaus mit einem spannenden Krimi aufnehmen kann.