Das Buch kann man entweder als Sachbuch mit Botschaft oder als kitschige Liebesgeschichte oder als Roman über das Leben einer Ermittlungsrichterin in der Antiterroreinheit lesen. Direkt am Anfang wird auf die titelgebende Entscheidung Bezug genommen: Schon im ersten Satz erfährt man, dass ein Attentat stattgefunden hat, und der Rest des Buches thematisiert sehr ausführlich, wie es dazu gekommen ist.Manche werfen dem Buch vor, eine Liebesgeschichte eingebaut zu haben; andere stört, dass das Ergebnis der Entscheidung praktisch von vorn herein bekannt ist. Auch antimuslimischer Rassismus ist einer der Kritikpunkte. Das kann ich alles nicht nachvollziehen. Karine Tuil hat viele kluge Gedanken zu Liebe und Ehe, beispielsweise dieses Zitat von Seite 145 der französischen Taschenbuchausgabe (Übersetzung von mir, nicht aus dem deutschen Buch): "Sie sprühten vor Leben, wie alle jungen Paare, deren Liebe sich noch nicht vor Enttäuschung und Streit abgenutzt hat - was aufgrund von Elternschaft, Bewährungsproben und Niederlagen irgendwann unvermeidlich eintritt."Die Ich-Erzählerin Alma sagt an einer Stelle, ihre Arbeit sei ihr Leben, und so ist es nicht verwunderlich, dass auch ihr Privatleben zur Sprache kommt. Und weil ihre Arbeit aus der Vernehmung von jugendlichen Straftätern in Untersuchungshaft besteht und sie im Team entscheiden soll, ob die freikommen, umfasst das Buch auch Verhörprotokolle, die echt sein könnten. Immerhin hat es in Frankreich zahlreiche islamistische Attentate gegeben, das ist eine Tatsache und kein Antiislamismus. Und so bleibt die Frage, wer bei falschen Entscheidungen schuld ist, ob der Fehler vermeidbar gewesen wäre, und wie man mit einer solchen Schuld, die ja Leben gekostet hat, weiterleben kann.Für mich ein klares Fünfsterne-Buch und eine unbedingte Leseempfehlung.Ich habe das Buch im französischen Original, "La décision", gelesen.