Mein Vater Hermann Buhl von Kriemhild Buhl ist weit mehr als nur eine Biografie über den berühmten Extrembergsteiger. Es ist eine fesselnde und zutiefst persönliche Auseinandersetzung mit den Höhen und Tiefen einer außergewöhnlichen Familie. Aus der Perspektive von Kriemhild erfahren die Leser die Geschichte eines Mannes, der durch seine Solo-Erstbesteigung des Nanga Parbat weltweit berühmt wurde, und die seiner Ehefrau Eugenie, die selbst eine talentierte Kletterin war.
Besonders eindrücklich ist, wie das Buch Eugenies Stärke und den Mut porträtiert, den sie aufbringen musste, nachdem Hermann durch einen tödlichen Sturz am Chogolisa ums Leben kam. Mit drei kleinen Töchtern und in einer Zeit, in der das Konzept der emanzipierten Frau noch fremd war, meisterte sie ihr Leben und führte eine Gästepension. Diese Facette der Geschichte das Leben der hinterbliebenen Familie wird in Kriemhild Buhls Erzählung auf ebenso berührende wie ehrliche Weise beleuchtet. Ihre Mutter wird nicht nur als die Frau hinter dem berühmten Mann dargestellt, sondern als die wahre Heldin ihres Lebens, die sich selbst behaupten musste.
Die Erzählung, die mit einer fast entwaffnenden Offenheit geschrieben ist, gewährt auch intime Einblicke in das Privatleben der Familie. Kriemhild berichtet von den Herausforderungen, mit denen ihre Mutter nach dem Tod ihres Mannes konfrontiert war, vom Verlust ihrer Schwester durch Drogenmissbrauch, und von ihrer eigenen Suche nach Identität in einer Welt, die vom Mythos Hermann Buhl geprägt war. Dabei zieht die Autorin Parallelen zwischen der Bergsucht ihres Vaters und der Sucht ihrer Schwester, was das Buch zu einem zutiefst emotionalen Erlebnis macht.
Doch das Buch ist nicht nur eine Familiengeschichte. Für alpingeschichtlich interessierte Leser bietet es beeindruckende Einblicke in die Höhen und Herausforderungen des Lebens eines Bergsteigers. Besonders eindringlich wird Hermann Buhls Solo-Aufstieg am Nanga Parbat geschildert ein Höhepunkt des Buches, der die Unermüdlichkeit und den ungebrochenen Willen des Bergsteigers spürbar macht.
Doch so spannend und dramatisch die alpinistischen Leistungen von Hermann Buhl auch sind, der wahre Kern des Buches liegt in der Erzählung von Eugenies Leben nach seinem Tod. Der Weg der Witwe, die sich in einer von Männern dominierten Gesellschaft behauptet und ihre Familie allein durchbringt, ist berührend und eindrucksvoll beschrieben. Ihr Leben in den Jahren des Wirtschaftswunders wird ebenso spannend wie authentisch geschildert und zeigt, dass wahre Stärke oft im Verborgenen liegt.
Kriemhild Buhl gelingt es mit ihrem Buch, sowohl Alpinisten und Historiker anzusprechen, die mehr über den berühmten Bergsteiger erfahren möchten, als auch Leser, die auf der Suche nach einer tiefgehenden, emotionalen Familiengeschichte sind. Ihre Offenheit und der Mut, auch schmerzhafte Erinnerungen zu teilen, verleihen dem Buch eine außergewöhnliche Authentizität.
Am Ende bleibt die Botschaft des Buches klar: Auch wenn der Name Hermann Buhl für immer in den Geschichtsbüchern des Alpinismus verankert ist, so ist die wahre Heldin für Kriemhild ihre Mutter Eugenie, die den Mythos Buhl überlebte und ein eigenes, starkes Leben führte.