Besprechung vom 05.12.2022
Allein gegen die Mafia
Lee Child schreibt noch einmal ohne Bruder
Jack Reacher, ein ehemaliger Militärpolizist, zieht mit einer Zahnbürste, aber ohne Gepäck durch Amerika. Er hat keinen festen Wohnsitz und keine Familie. Sein größtes Talent ist es, als eine Art Naturgewalt in Situationen hineinzustolpern, die Gerechtigkeit erfordern - und zwar auf die harte Tour. Er zerschlägt kriminelle Organisationen und bringt Folterknechte ohne viel Aufhebens um die Ecke. Allerdings kann er genauso gut kombinieren, abwägen und schlussfolgern.
Reachers Erfinder, Lee Child, hat zwischen 1997 und 2019 vierundzwanzig Bände vorgelegt, in denen sein Held nicht ohne Blessuren, aber doch ziemlich wacker einen Kleinkrieg nach dem anderen gewinnt. Die Folgetitel schreibt Child nun zusammen mit seinem Bruder Andrew (schlechte Idee), der die Serie schließlich übernehmen soll (sehr schlechte Idee). Hierzulande ist der letzte von Lee Child allein verfasste Teil, "Die Hyänen", dieses Jahr erschienen.
Er illustriert abermals, dass der Autor den Thriller nicht neu erfunden, aber sorgsam poliert hat. So löst er komplizierteste Situationen in einfachen, gleichwohl maximal präzise formulierten Sätzen und mathematisch genau arrangierten Handlungsbögen auf. Diesmal hilft Reacher einem Mann, der eine kranke Tochter und Schulden bei einem Mafiaclan hat. Damit der Plot nicht zu simpel bleibt, gibt es noch einen zweiten Clan - beide kämpfen um die Vorherrschaft in der Stadt. Zunächst nehmen sie Reacher nicht besonders ernst, was immer ein Fehler ist. Dann startet der Held sein Aufräumprogramm, wobei Child Tschechows Forderung, kein Requisit dürfe in der Literatur ohne Folgen bleiben, absolut ernst nimmt. "Die Hyänen" ist der gelungene Quasiabschluss einer der besten Krimiserien überhaupt. span
Lee Child:
"Die Hyänen".
Ein Jack-Reacher-
Roman.
Aus dem Englischen von Wulf Bergner.
Blanvalet Verlag,
München 2022.
416 S., geb.
© Alle Rechte vorbehalten. Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt.