Besprechung vom 12.05.2021
Nach Norden
Viel Gepäck hatte Mike Dodd nicht auf seine Honda Goldwing geladen, als er sich eines Sommers von London aus auf den Weg zum Nordkap machte. Denn er hatte eine Idee. Mike Dodd ist Fotograf. Und Motorradfahrer. In dieser Reihenfolge, was bei ihm immer wieder dazu führte, dass er das Motorrad parkt, um stundenlang nach dem perfekten Bild zu suchen. Das sollte bei dieser Reise anders werden. Er wollte ohne Kamera fahren, nur Erlebnisse sammeln, keine Motive - aber dann wendete er, holte die Kamera und landete im alten Trott. Und jetzt erzählt er in seinem Buch, wie er im ständigen Zwiespalt, zu fahren oder zu fotografieren, mal in der einen Hinsicht, mal in der anderen etwas zu verpassen befürchtete. Am Ende, man ahnt es, bleibt alles Kompromiss. Leider. Dodds Auseinandersetzung mit den Begehrlichkeiten, die perfekte Reisefotografien auf Instagram wecken, ist nicht mehr als das, worüber man sich bei einem Glas Bier schnell einig würde. Aber auch seine Erlebnisse unterwegs, etwa mit den Mitgliedern eines Motorradclubs in deren Werkstatt oder die Schilderung einer bei etlichen Bieren und Kartenspiel durchzockten, taghellen Nacht mit Norwegern in einer Hafenkneipe nahe dem Nordkap, sind leider von ebenso geringem Unterhaltungs- wie Informationswert. Bleiben die Fotografien. Sie gewinnen ihren Reiz vor allem aus den detailliert beschriebenen Schwierigkeiten, bei selbstausgelösten Aufnahmen Hunderte von Metern entfernt mit dem Motorrad exakt an der richtigen Stelle für die gewünschte Komposition entlangzufahren. Dort, wo sie ohne Aufwand entstanden, sind sie von beeindruckender Banalität.
F.L.
"Fjordwärts" von Mike Dodd (Fotos) und Lena Siep (Text). Delius Klasing, Bielefeld 2021. 160 Seiten, 100 Fotos. Gebunden
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