>Was ist mit uns los, dass wir nicht reden können?<
Eine Frau in der Mitte ihres Lebens, verheiratet, ohne Beruf, Hausfrau, vier Kinder, kanadische Kleinstadt und bis ins Innerste unzufrieden mit ihrer Situation. Ist das alles, was sie vom Leben erwarten kann? Ein Abendkurs in griechischer Mythologie brachte nicht den erhofften Aufbruch, der Smalltalk mit den Nachbarinnen erfüllt sie auch nicht, die täglichen Arbeitsabläufe erbittern und öden sie an, die Streitereien der Kinder untereinander nerven sie. Sie ist unausgeglichen und sprunghaft. Schließlich fängt sie das Trinken an und blamiert ihren aufstiegswilligen Mann übel, wenn sie betrunken schlüpfrige Witze erzählt. Kurz: sie ist eine Person, die nicht zur Identifikation einlädt.
Als Leser kann man Verständnis für sie empfinden und das typische Leben einer Frau aus dem Mittelstand in den 50er Jahren beklagen. Man kann sich aber auch abgestoßen fühlen vom Selbstmitleid einer Frau, die aus ihrem (vermeintlich) festgefahrenen Leben ausbrechen will und es nicht schafft, ihr Leben zu ihrer Zufriedenheit zu gestalten.
Eines aber weckt auf alle Fälle das Mitleid des Lesers: ihre Einsamkeit. Stacey leidet unter der Kommunikationsunfähigkeit ihres Mannes, ihrer Familie und ihrer Freunde. Die Gespräche bleiben unverbindlich an der Oberfläche und erschöpfen sich im Austausch von Plattitüden. Ihre Wut wächst bis hin zu gelegentlichen Gewaltfantasien, und so erklärt sich auch der Titel: das Glutnest ist Staceys Inneres.
Was den Roman aber zu einem großen Lese-Genuss macht, ist die sprachlich-stilistische Gestaltung. Der Leser nimmt direkt an Staceys temperamentvollen Gedankenkarrussell teil und folgt ihr in schöne Erinnerungen ihrer Jugend oder in Fantasien ihrer Zukunft. Die Dialoge werden zusammenmontiert mit Liedtexten und Kinderreimen, mit Fetzen aus der Fernsehwerbung und auch mit Nachrichten, die Staceys kleine Befindlichkeiten im Großen widerspiegeln. Gegenwart, Vergangenheit und eventuelle Zukunft werden miteinander vermischt, aber ohne dass der Leser Orientierungsprobleme hat. Dazu gelingen der Autorin wunderbar bissige Schilderungen z. B. einer Art Tupperparty im Nachbarhaus. Diese Mischung aus Sarkasmus und Ernst macht den Roman so wohltuend menschlich.
Lese-Empfehlung!
4,5/5*