»Wunderbar leicht und mit hintergru ndigem Humor frönt Stamm einer kindlichen Fabulierlust. Und Ole Könnecke verneigt sich vergnu gt vor beru hmten Kollegen wie Sempé und Walter Trier. «
Bettina Kugler / Schweiz am Wochenende
»[ ] in unverwechselbar schöner minimalistischer Bildsprache von Ole Könnecke gezeichnet. «
Elena Geus / FAZ
»
Otto von Irgendwas
ist ein feines Stu ck u ber das Ringen zwischen Vertrautem und Unbekanntem, u ber Verzagtheit und Mut und u ber Freundschaft. «
Elena Geus / FAZ
»Ein rundum gelungener Lesespass. «
Babina Cathomen / kulturtipp
»Besonders vergnu glich ist der Roman, weil Merkwu rdiges darin selbstverständlich ist, und wegen der schrullig-liebenswerten Figuren. «
Andrea Lüthi / NZZ am Sonntag
»Der kleine adelige, einsame Otto ist ru hrend, man muss ihn einfach liebhaben. «
Andrea Schnepf / Buchkultur
»Peter Stamm lässt aus den Bezügen auf Kinderbuchklassiker eine Welt hervorwachsen, die sehr nostalgisch anmutet, dabei aber durchaus aktuelle Fragen rund um das Verhältnis von (abwesenden) Eltern und (einsamen) Kindern aufgreift. «
Christine Lötscher / Buch& Maus
Besprechung vom 12.10.2024
Lieber falsch als gar nicht
Von Irgendwas. Aber nicht irgendwer. Peter Stamm lässt einen Achtjährigen über seine Zukunft entscheiden.
Von Elena Geus
Von Elena Geus
Ottos Schloss ist riesig. Es gibt einen West- und einen Ostflügel, unzählige Zimmer, einen Raum nur zum Rauchen, eine große Bibliothek, eine Ahnengalerie mit den vielen Ottos vor ihm und auch ein Audienzzimmer. Nur ist niemand da, den Otto empfangen könnte. Otto, etwa acht, neun Jahre alt - in unverwechselbar schöner minimalistischer Bildsprache von Ole Könnecke gezeichnet -, hat weder je Besuch empfangen, noch ist er über seinen Schlosspark hinausgekommen.
Alle Tage des jungen Adligen - ein Graf oder so, selbst er weiß es nicht genau - verlaufen gleich. "Semper idem", was Otto dem Familienleitspruch folgend als "Alles soll so bleiben wie immer" übersetzt. Es braucht rund einhundert Seiten und die kluge Paula, die ihn korrigiert: "Das bedeutet, dass du immer derselbe bist. Ob mit Schloss oder ohne, ob mit Angestellten oder ohne."
Dass zunächst alles bleibt, wie es schon immer gewesen ist, dafür sorgen Ottos Haushälterin, sein Fechtlehrer, der Koch und Vorkoster, der Gärtner und sein Privatlehrer, auch wenn dieser es nicht allzu genau nimmt mit seiner Aufgabe. Mathematik ist etwas für Erbsenzähler, Chemie und Physik funktionieren auch ohne Wissen darüber, Sprachen sind unnütz, Geographie und Geschichte werden überschätzt, Sport ist zu anstrengend, Musik zu laut und Malen zu schmutzig.
Das Verhältnis zwischen den Bediensteten und ihrem kleinen Dienstherrn ist freundlich-professionell. Otto, ganz Chef, hält die kuriose Truppe zusammen. Sie versorgen ihn gut. Es fehlt ihm an nichts. Außer an echter Fürsorge. Als er das erste Mal das Schloss verlässt und auch nachts nicht nach Hause kommt, fragt nicht mal jemand, wo er gewesen ist. Otto findet das traurig. Und seine Leser mit ihm.
In Ottos aus der Zeit gefallene, aber verlässlich-geregelte Welt lässt Peter Stamm Ina, die Enkelin des Gärtners, platzen und mit ihr deren Freunde Paula und Heinz. So sehr sich das Leben der Drei von Ottos unterscheidet, gemeinsam ist ihnen: Ein Familienleben kennen sie nicht. Otto hat keine Erinnerung an seine Eltern, Inas sind irgendwo in der Welt unterwegs, und Paula weiß nur, dass sie das Kind einer Nonne ist. Ja, tatsächlich: einer Nonne. Heinz hat es besser. Seine Eltern sind da, nur haben sie kaum Zeit für ihn. Im Klosterinternat geht er, anders als Ina und Paula, nur zur Schule. "Halbgefangenschaft" nennt er das spöttisch.
Die Biographien der Protagonisten böten Anlass zu Verzweiflung, doch verletzt oder verbittert ist keiner von ihnen. Eher leidenschaftslos berichten sie einander vom Fehlen ihrer Eltern - und damit, sollte man meinen, auch von Nähe, Liebe und Geborgenheit. Nüchternheit und erzählerische Distanz kennt man aus Peter Stamms Romanen und Erzählungen. So viel, echte oder gespielte, Abgeklärtheit wirkt in einem Kinderbuch etwas befremdlich. Und manch philosophischen Sinnspruch, wie etwa "Manchmal muss sich alles ändern, damit es so bleiben kann, wie es ist", versteht nicht mal der Titelheld.
Mit seinen Freunden erlebt Otto - der mit seinen Knickerbockern, dem Monokel und einem Barett auf dem Kopf aussieht wie sein eigener Ur-Ur-Ur-Ahn - zwei aufregende Wochen ohne Aufsicht im Schloss. Sie entdecken Geheimgänge und eine seltsame Maschine. Otto lernt schwimmen und dass Kekse auch zu anderen Zeiten gut schmecken als nur um vier Uhr zum Nachmittagstee. Dass bis auf Herrn Klaus, den Gärtner, keiner seiner Angestellten aus dem Urlaub zurückkehren wird, bringt seine Welt durcheinander. Sie alle scheinen Besseres zu tun zu haben, als sich um ihn zu kümmern. Wie zuvor geht es für Otto nicht mehr weiter. Das macht ihm, wie vieles andere auch, Angst.
Was also tun? Otto muss sich entscheiden, welche Option er für die Zukunft wählt: Das alte Leben mit neuem Personal wiederherstellen? Oder ein neues beginnen? "Otto von Irgendwas" ist ein feines Stück über das Ringen zwischen Vertrautem und Unbekanntem, über Verzagtheit und Mut - und über Freundschaft. Zauber und beruhigende Tiefe des Romans werden jungen Selbstlesern oder Zuhörern aber wohl verborgen bleiben. Ottos traurige Waisenkindexistenz will einfach nicht aus dem Kopf gehen.
Peter Stamm: "Otto von Irgendwas".
Mit Bildern von Ole Könnecke. Atlantis Verlag, Zürich 2024. 144 S., geb., 14,- Euro. Ab 8 J.
© Alle Rechte vorbehalten. Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt.