Besprechung vom 04.08.2019
NEUE REISEBÜCHER
Für den Tisch Als Hakenkrieg wird im Klettern die Auseinandersetzung um Bohrhaken bezeichnet. Die Befürworter schätzen das sichere Klettern auch an schweren Wänden, Gegner finden, das sei irgendwie kein richtiges Klettern.
Diese Auseinandersetzung hat nun Robert Bösch auf die Bergfotografie übertragen. Der Schweizer Fotograf und versierte Alpinist hat einen überdimensional großen Bildband zusammen gestellt, und er schreibt darin: Wie der Bohrhaken, der jede Wand auf fast jeder Linie kletterbar mache, erlaube es Photoshop, aus fast jedem Bild etwas Außergewöhnliches zu machen. Doch wo das Außergewöhnliche selbstverständlich wird, werde es schnell langweilig.
Das klingt fast ein bisschen verzweifelt. Als werde einem profilierten Fotografen die Existenzgrundlage entzogen, weil es nun Instagram gibt. Bösch betont, seine Bilder seien im Moment des Auslösens entstanden, nie verändere er nachträglich den Ausschnitt oder "irgendetwas am Bildinhalt". Weiter schreibt Bösch, Jahrgang 1954, Digitalkameras und Photoshop hätten die Bildproduktion in eine neue Dimension katapultiert. "Eine Dimension, die vielleicht das Ende des Goldenen Zeitalters der Outdoor-Fotografie bedeutet."
Für andere aber ist genau dies der Anfang eines neuen Zeitalters, geradezu einer Demokratisierung des Fotografierens, wenn auch kleinste Kameras - professionell eingesetzt - gute Fotos liefern können. Bösch war auf allen Kontinenten unterwegs, er hat große Alpinisten begleitet, allen voran Ueli Steck, den herausragenden Schweizer Bergsteiger, der 2017 in der Nähe des Everests tödlich abgestürzt ist. Ihm ist das Buch gewidmet, andere berühmte Skifahrer, Kletterinnen, Gleitschirmpiloten und Kajakfahrer kommen darin zu Wort, wie Hanspeter Eisendle, Babsi Zangerl, Beat Kammerlander.
Keine Frage: Böschs Fotos setzen noch immer Maßstäbe, er passt den richtigen Moment ab, kennt das Bild, bevor es entsteht. Er feiert den einsamen Sportler, die einsame Kämpferin in monumentaler Landschaft, ein sehr romantischer Blick auf die Bergwelt. In der keine Einheimischen vorkommen, sondern nur diejenigen, die sich die Berge als Terrain ausgesucht haben. Und all diese Sportler nutzen die modernste Technik, keiner klettert heute mehr mit dem Hanfseil, warum also sollte für Fotografie ein anderer, rückwärtsgewandter Ansatz gelten? Was spricht dagegen, sich aller modernen Technik zu bedienen, wenn dabei phantastische Fotos vom Draußensein entstehen? Dieser neuen, jüngeren Fotografie Raum zu geben, bedeutet ja nicht, dass Böschs Art zu fotografieren keine Berechtigung mehr hat. Für dieses Publikum gibt es dicke Bildbände wie "Mountains", für die anderen eben Instagram-Accounts.
bfer.
Robert Bösch: "Mountains". Verlag National Geographic, 336 Seiten, ca. 200 Abbildungen
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