
Besprechung vom 16.11.2025
Alle zu Tisch bitte!
Ihr erstes Buch hat Samin Nosrat zu einem Star gemacht. In ihrem zweiten geht es um mehr als Rezepte.
Von Jacqueline Vogt
Der Kochbuchmarkt ist riesig. Nicht alles, was er hervorbringt, ist erfolgreich. Dennoch streben viele dorthin, auch aktive Köche; ein Buch herauszubringen, ist immer noch ein Prestigeprojekt. Für manche ist es auch ein richtig gutes Geschäft, zumal für Autoren, deren Werke in mehreren Ländern erscheinen und vor allem, wenn ihre Verbreitung im englischsprachigen Raum ihren Anfang genommen hat. Einen großen Erfolg hatte Samin Nosrat, eine Amerikanerin mit iranischen Wurzeln, als sie 2017 "Salz. Fett. Säure. Hitze" veröffentlichte. Nosrat hat im Chez Panisse in Berkeley kochen gelernt, sie schreibt für die "New York Times", wurde vom "Time Magazine" zu einem der 100 einflussreichsten Menschen der Welt erklärt, war Hauptperson einer Netflix-Serie. Jetzt liegt ein zweiter Band aus ihrer Feder vor, mit vielen Soulfood-Rezepten und Texten, die das gemeinsame Essen feiern: "Etwas Gutes" heißt es, und im Untertitel "Rezepte und Rituale für dich und deine Liebsten".
Was Nosrat nachzubereiten anregt, ist Soulfood im wahrsten Sinne des Wortes. Es geht bei den Gerichten nicht um punktgenaue Ausarbeitung und glaskantenscharfe sensorische Genauigkeit, sondern um einen Wohlgeschmack, der vom Gaumen direkt in den Bauch und ins Herz geht. Die saftigen Schweinefleischbällchen zum Beispiel haben dafür das Potential, die Nosrat mit frischer Tomatensoße und einer Menge Parmesan bedeckt zu servieren empfiehlt und mit Brot, das mit Knoblauch eingerieben und in Olivenöl gebraten wird. Überhaupt Olivenöl: Für die Autorin ist das die nach gutem Salz und einer Paste aus eingelegten Zitronen wichtigste Grundzutat in der Küche.
Ein großer Teil der Rezepte ist nach Jahreszeiten geordnet und innerhalb dieser nach Produkten. Anderen sind Anleitungen vorangestellt zu so etwas wie einem guten Leben und dazu, die Rahmenbedingungen dafür am Esstisch zu schaffen. "Wie man sich im Trubel der Zeit eine Oase einrichtet", heißt eines dieser Kapitel, und der Rat darin lautet, verkürzt wiedergegeben, regelmäßige Kochabende mit Freunden zu veranstalten, so wie die Autorin selbst es macht.
Es geht viel um Nosrats eigenes Leben und eigene Gefühle in dem Buch. Ihre Fans wird das interessieren und freuen und auch, dass sie eine offenbar schwierige Phase überwunden hat, nicht zuletzt auch mithilfe des Kochens und mit dem Verfassen von "Etwas Gutes". In einem Interview mit der "Zeit" unlängst hat Nosrat von einer tiefen Müdigkeit berichtet, die sie erfasst habe nach der großen Aufmerksamkeit, die ihr zugefallen sei, und der Notwendigkeit, das Interesse an ihrer Person aufrechtzuerhalten.
Sie habe lange gebraucht, schreibt Nosrat an früher Stelle ihres neuen Buches, aus der Depression aufzuwachen und neue Werte zu finden. "Und mein Leitstern - so einfach wie tiefgehend - ist die hart erkämpfte Erkenntnis, dass unser wertvollstes Gut im Leben Zeit ist", schreibt sie, und dass eine gute Art, Zeit zu verbringen, das Kochen sei und das Essen mit Menschen, die einem etwas bedeuteten. Das passt als Erkenntnis gut zur Vorweihnachtszeit. Und so ist es auch, wiewohl das Buch nichts Winterliches hat, kein Zufall, dass es jetzt in den Handel gekommen ist. Fazit: für Leute, die in einem Kochbuch auch Lesestoff suchen. ("Etwas Gutes. Rezepte und Rituale für dich und deine Liebsten", 464 Seiten, Verlag Antje Kunstmann
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