Besprechung vom 07.03.2022
Jagd nach dem Kaninchen als tödliches Spiel
Regisseur Terry Miles debütiert mit einem Thriller
Wenn Regisseure die Kunstform wechseln und Romane schreiben, kann das ganze Genres erweitern. Man denke an den Spionageroman "Consumed" (2014) vom Horrorexperten David Cronenberg oder an den surrealen Neurotiker-Roman "Ameisig" (2021) von Charlie Kaufman. Der amerikanische Regisseur Terry Miles, der bislang mit Action- und Westernfilmen auf sich aufmerksam machte, versucht sich nun an einem Buch, das die Strukturen seiner Filme ins Literarische überträgt.
Miles' Debütroman "Rabbits", der Anfang des Monats im Penguin Verlag auf Deutsch als E-Book veröffentlicht wurde und am 21. März als Taschenbuch veröffentlicht wird, ist ein Thriller, der mehr Gewicht auf das Vorantreiben der Handlung als auf die Entwicklung der Charaktere legt. Die Protagonisten sind eher stichwortgebende Figuren als Charaktere mit eigener Psychologie - aber das hat schon bei Dan Brown nur wenige gestört.
So folgt man also dem Icherzähler K., der gleich zu Beginn klarstellt, dass man seinen vollen Namen nicht erfahren wird, durch die grauverhangenen Straßen Seattles. K. ist gut darin, Muster im realen Leben zu erkennen, so gut, dass er sich manchmal zwanghaft in wiederkehrende Zahlen und Symbole seiner Umgebung verheddert. Genau diese Fähigkeit nutzt er für ein geheimes Rätselspiel namens "Rabbits", dessen Hinweise sowohl in der digitalen als auch der realen Welt zu finden sind.
Dem Gewinner winkt großer Reichtum. Doch kurz bevor die nächste Runde beginnt, erhält K. die Warnung, dass mit dem Spiel etwas nicht stimme, denn immer mehr Spieler verschwinden oder sterben beim Versuch, den Hinweisen zu folgen.
Miles' Thriller könnte eigentlich das Buch der Stunde sein, in der sich Berichte über gefährliche Internetsucht und tödliche Social-Media-Wettbewerbe häufen. Dass Jugendliche nach einer "Tik-Tok-Challenge" sterben, ist längst keine Fiktion mehr. Und auch die Frage, wo die Mustererkennung aufhört und die Verschwörungstheorie anfängt, streift der Autor im Vorbeigehen. Doch all diese Themen interessieren ihn nur als Rahmen, in den er seine Handlung einbettet, analytische Tiefe darf man nicht erwarten. Stattdessen gibt es unzählige popkulturelle Metaverweise auf Film, Musik und Videospiele.
Schon das Namenskürzel des Protagonisten kann als Anspielung auf die anonymisierte Anmeldepraxis in Onlineforen verstanden werden. Miles setzt voraus, dass die Leser die Referenzen kennen, nutzt sie sogar, um sich beispielsweise lange Beschreibungen von Orten zu sparen. So wird das Aussehen eines zentralen Handlungsorts, eines mysteriösen Turms auf dem Gelände einer Computerfirma, schlicht als "ein Mix aus zeitgenössischer Science-Fiction und italienischem Film noir im Stil von Michelangelo Antonioni" beschrieben und atmosphärische Inneneinrichtungsbeschreibung abgekürzt durch Verweise wie: "Von der stuckverzierten Decke hingen zwei massive schmiedeeiserne Leuchter, die mich an das Overlook Hotel aus dem Horrorfilm Shining erinnerten."
In Filmen kann solche Verweisspielerei gut funktionieren, bringt mitunter sogar eine zusätzliche Ebene in die Handlung, indem diese sagt: Erinnert dieser Szenenaufbau nicht an diesen berühmten Gruselfilm - wenn die Referenz geschickt gelingt, bekommen die Zuschauer schon Gänsehaut, bevor etwas passiert.
Im Buch funktioniert diese Technik nur bedingt, Miles überfrachtet manche Szenen damit, und man hätte sich stattdessen etwas mehr Kreativität beim Beschreiben der Plätze und der Gefühlswelt der Figuren gewünscht. Zumal sich die Handlung auf den fast fünfhundert Seiten an manchen Stellen arg in die Länge zieht. Auch wenn Miles seine kurzen Kapitel mit Cliffhangern beendet und so zum Weiterlesen animiert, "Rabbits" schlägt ein paar Haken zu viel. MARIA WIESNER
Terry Miles: "Rabbits. Spiel um dein Leben".
Thriller.
Aus dem Amerikanischen von Kai Andersen. Penguin Verlag, München 2022. 496 S., br.
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