Tobias Rollers Roman Der Goldhügel handelt von der Gedanken- und Gefühlswelt von Erich Kästner, der sich als Anfang 60-jähriger im Tessin erholen soll. Der Roman beleuchtet dann vor allem Kästners schwieriges Verhältnis zu Frauen und bringt dabei viele Facetten ans Licht. Besonders eindrücklich fand ich die Träume, die seine komplexe Beziehung zu seiner Mutter thematisieren. Rollers Kästner erscheint als Mensch, der vor dem Leben genauso Angst hat wie vor dem Sterben und diese Ängste prägen sein gesamtes Handeln. Dabei konnte ich nicht anders, als Mitleid für ihn zu empfinden.
Als großer Kästner-Fan habe ich mich gefreut, wie oft seine Bücher und Gedichte subtil in den Text eingewoben wurden. Auch die Quellenangaben und das einordnende Nachwort haben mir gut gefallen, denn sie unterstreichen den semi-biografischen Charakter des Romans. Trotz dieser gelungenen Einblicke fand ich den Roman stellenweise aber etwas langatmig. Im Verlauf wiederholen sich viele Motive: Kästners Weigerung, sich mit seinen Sorgen auseinanderzusetzen und sein Desinteresse am Innenleben anderer Menschen. Was den Stil des Romans betrifft, ist er eher an Thomas Mann als an Kästner angelehnt. Für mich ein kleiner Wermutstropfen, da ich persönlich Kästner oder auch Heinrich Mann wesentlich mehr mag als Thomas.
Alles in allem habe ich Der Goldhügel mit Gewinn gelesen, weil ich über das spätere Leben Kästners kaum etwas wusste. Für Fans von Erich Kästner und interessierte Leser*innen, die sich von einer etwas anderen Erzählweise nicht abschrecken lassen, ist das Buch definitiv einen Blick wert.