Werden wir bald für immer leben?
Wir erleben eine Revolution in der Biologie: Unsterblichkeit, einst eine schwache Hoffnung, war noch nie so greifbar für uns. Der Nobelpreisträger für Chemie Venki Ramakrishnan berichtet über die jüngsten Durchbrüche in der wissenschaftlichen Forschung und verändert für immer unser Verständnis über das Altern, das Sterben und den Tod.
Das Wissen um den Tod ist erschreckend - so sehr, dass wir die meiste Zeit unseres Lebens damit verbringen, den Gedanken daran zu verdrängen. Unsere Angst vor dem Sterben hat Religionen hervorgebracht, die Philosophie geprägt und die Wissenschaft vorangetrieben. Mittlerweile hat die Forschung viele neue Erkenntnisse über unser bisher unvermeidliches Ende gewonnen und weiß um die unglaubliche Möglichkeit, dass unser Tod irgendwann nicht mehr oder sehr viel später in unserem Leben eintreten könnte. Venki Ramakrishnan erzählt fesselnd von diesen Einsichten und erklärt, was der Tod ist und wie er aus langwierigen evolutionären Prozessen hervorging. Schließlich legt er dar, inwiefern sich unsere Biologie so anpassen könnte, dass Unsterblichkeit möglich ist - und stellt die gewichtige Frage, ob der Preis der Unsterblichkeit nicht zu hoch ist. Eine spannende Reise durch die Biologie des Todes.
»Absolut faszinierend. Venki Ramakrishnans Fähigkeit, die anspruchsvollsten Themen klar und fesselnd darzustellen, erfüllt mich mit Ehrfurcht. « Bill Bryson
»Eine unglaubliche Reise. « Siddhartha Mukherjee
»Dieses fesselnde und aufschlussreiche Buch richtet sich an alle von uns, die sich fragen, ob Alter und Sterblichkeit die nächsten Grenzen sind, die die menschliche Wissenschaft überschreiten muss. Ist der erste Mensch, der zweihundert Jahre alt werden soll, bereits geboren? Können wir unsere Lebenserwartung wirklich immer weiter verlängern, bis . . . bis wann? Unsterblichkeit? 'Warum wir sterben' nimmt uns mit auf eine spannende Reise durch die Wissenschaft des Alterns. Treffen Sie unterwegs Nacktmulle, Wattwürmer, aufkeimende Hefepilze und gruselige menschliche Scharlatane. Venki Ramakrishnan hat eine außergewöhnliche Gabe, Wissenschaft mit Klarheit, Witz und beneidenswert unterhaltsamem Erzählstil zu erklären. « Stephen Fry
Besprechung vom 12.10.2024
Das Spiel zwischen Leben und Tod
Keine Wirkung ohne Nebenwirkung: Der Strukturbiologe und Nobelpreisträger Venki Ramakrishnan erläutert die Prozesse des Alterns und die Versuche der Wissenschaft, sie zu verlangsamen oder gar aufzuhalten.
Von Johanna Kuroczik
Von Johanna Kuroczik
Eine treffende Analogie dafür, warum unsere Körperzellen altern, sind Abstellkammern voller Gerümpel. Je länger man in einem Haus lebt, desto mehr kaputte oder nutzlose Dinge sammeln sich an - ein Kassettenrekorder aus den Neunzigern, die alte Babywiege, rostige Gartengeräte. So ähnlich läuft es in unseren Zellen. Wenn wir jung sind, arbeitet die zelleigene "Müllabfuhr" effizient: Durch Autophagie werden fehlerhafte Proteine und überflüssige Stoffwechselprodukte im Lysosom, dem Recyclinghof, abgebaut und wiederverwertet. Doch mit zunehmendem Alter wird die Aufräumarbeit nachlässig. Irgendwann haben sich zu viele Schadstoffe angesammelt - und die Zelle stirbt. Doch was, wenn sich dieser Prozess aufhalten ließe? Könnten wir das Leben dann beliebig verlängern?
Solchen Fragen widmet sich der renommierte Strukturbiologe Venkatraman "Venki" Ramakrishnan in seinem Buch "Warum wir sterben". Für seine Forschung zum Ribosom, der Zellorganelle, die Proteine herstellt, erhielt er 2009 den Nobelpreis für Chemie. In seinem Buch erklärt er nun, warum der Körper altert und wie Wissenschaftler fieberhaft daran arbeiten, diesen Prozess aufzuhalten. In die Anti-Aging-Forschung werden Milliarden investiert. Alterung scheint nur noch ein Betriebsfehler im System zu sein, der sich bald beheben lässt. Der Hype um Langlebigkeit manifestiert sich derzeit auch in Buchhandlungen. "Warum wir sterben" fällt jedoch aus der Reihe. Es verspricht, einen "nüchternen Blick" auf die Forschung zu werfen.
Der Traum vom ewigen Leben ist so alt wie die Menschheit, und der unterschwellige Wunsch, dem Tod zu entkommen, ist nach wie vor lebendig. Doch scheint die menschliche Lebensspanne bei etwa 120 Jahren ausgeschöpft zu sein. Im Tierreich sind wir damit gar nicht schlecht dran. Der "Lebensdauerquotient" besagt, dass sich die Lebenszeit proportional zur Körpergröße verhält. Ein kleiner Fisch lebt nur wenige Monate, während der riesige Grönlandhai über vierhundert Jahre alt wird. Auf eine Weise ist jedoch jedes Leben gleich lang: nämlich rund 1,5 Milliarden Herzschläge. Bei Hamstern rast das Herz, bei Blauwalen schlägt es nur wenige Male pro Minute.
Ramakrishnan erläutert, dass das Spiel zwischen Leben und Tod immer eine Frage des Gleichgewichts ist. Ein Beispiel ist die "Disposable Soma"-Theorie: Energie ist begrenzt, und eine Tierart kann sie evolutionär gesehen entweder darauf verwenden, lange zu leben, oder sich früh und erfolgreich fortzupflanzen. So erreichen manche langlebigen Schildkröten erst in ihren Dreißigern die Pubertät. Forscher interessieren sich besonders für die Ausnahmen von solchen Regeln: Nacktmulle etwa können trotz ihrer geringen Größe rund dreißig Jahre alt werden und altern sehr langsam. Die Antwort liegt in ihren Zellen, die außergewöhnlich effektive Mechanismen zur Reparatur von DNA-Schäden besitzen. Auch beim Menschen liegt die Erklärung dafür, warum wir gebrechlich werden und irgendwann sterben, in unseren Zellen.
Im Hauptteil des Buches widmet sich Ramakrishnan darum der Zellbiologie und den verschiedenen Alterungsprozessen. Dies ist naturgemäß kompliziert, und obwohl der Autor den Leser behutsam heranführt - er vergleicht die Zelle etwa mit einer Großstadt -, entkommt man nicht der Notwendigkeit, Vorgänge wie DNA-Methylierung und die Yamanaka-Faktoren zu verstehen, um nachvollziehen zu können, wo die Wissenschaft ansetzen möchte, um den Tod aufzuhalten. Nehmen wir die Kalorienrestriktion: Bei Nagetieren, Würmern und Hefepilzen haben Forscher beobachtet, dass sie bis zu fünfzig Prozent länger leben können, wenn sie rund ein Drittel weniger Nahrung zu sich nehmen, als sie bei freier Wahl verzehren würden. Bei Menschen lässt sich das kaum erforschen, und es ließe sich ohnehin nicht umsetzen: Man hätte sein ganzes Leben Hunger, wäre anfällig für Infekte, würde frieren, und mit der Fortpflanzung stünde es auch nicht unbedingt gut.
Könnte man jedoch die Autophagie ankurbeln, ohne zu fasten? Forscher fanden eher zufällig in den Sechzigerjahren einen möglichen Ansatz, nämlich in Bodenproben von der Osterinsel, die das Bakterium Streptomyces hygroscopicus enthielten. Es produziert eine Substanz, die das Pilzwachstum hemmt, beim Menschen das Immunsystem dämpft und gegen Krebstumoren wirkt. In Anlehnung an den indigenen Namen für die Osterinsel, Rapa nui, bekam diese Substanz den Namen Rapamycin. Nach vielen wissenschaftlichen Umwegen stellte man Ende der Achtzigerjahre fest, dass Rapamycin seine Wirkung entfaltet, indem es einen bestimmten Proteinkomplex hemmt. Er bekam den Namen TOR, "Target of Rapamycin".
TOR ist ein echtes Multitalent und so etwas wie das Gaspedal der Zelle. Es regelt unter anderem das Zellwachstum und den Stoffwechsel und spielt eine Rolle bei der Alterung sowie bei verschiedenen Erkrankungen wie Diabetes oder Rheuma. Und er regt die Autophagie an. Fehlen der Zelle Nährstoffe, weil Nahrung knapp ist, vermittelt TOR, dass alte Zellstrukturen recycelt werden.
"Rapamycin und seine chemischen Verwandten gehören zu den vielversprechendsten Mitteln, wenn man der Alterung entgegenwirken will", schreibt Ramakrishnan. Tatsächlich starben Mäuse in Experimenten später und waren gesünder, wenn sie im Alter Rapamycin erhielten. Einige Wissenschaftler nehmen es bereits heimlich ein, berichtet er. Doch hier zeigt sich das alte Dilemma: keine Wirkung ohne Nebenwirkung. Rapamycin hemmt Teile des Immunsystems. Krebspatienten, die das Mittel über lange Zeit einnehmen, haben ein höheres Infektionsrisiko. Auch Versuchstiere steckten sich übermäßig oft mit Infektionskrankheiten an. Was nützt die theoretische Aussicht auf ein längeres Leben, wenn man an einer Sommergrippe stirbt? Ähnlich verhält es sich mit allen Alterungsprozessen in der Zelle, wie Ramakrishnan hervorhebt: Verlängert man zum Beispiel die Teilungsfähigkeit der Zellen, könnte man länger leben - erhöht aber auch das Risiko, dass Zellen unkontrolliert wachsen und Krebs entsteht.
Ramakrishnans Buch geht über diese biochemischen Fakten hinaus. Er erzählt vom Leben und Arbeiten der Wissenschaftler hinter den Entdeckungen und beschreibt, inwiefern gute Forschung häufig von Zufällen geprägt ist. Das ist lehrreich, aber auch unterhaltsam erzählt, etwa wenn die Forschung an den Bakterien, die Rapamycin produzieren, buchstäblich auf Eis liegt, nämlich im privaten Tiefkühlfach eines Wissenschaftlers, versehen mit einem Zettel, der die Aufschrift trägt: "Nicht essen!"
Über die Industrie der Altersforschung urteilt Ramakrishnan schonungslos. Noch vor wenigen Jahrzehnten wurde dieser Wissenschaftszweig kaum ernst genommen. "In jedem Jahr, das du damit verbringst, halbiert sich dein IQ", ließ ein Forscher, der für die Entdeckung der Micro-RNA jüngst den Nobelpreis erhielt, in den Neunzigern Ramakrishnan wissen. Mittlerweile haben zahlreiche Wissenschaftler millionenschwere Start-ups gegründet, finanziert von Tech-Milliardären wie Jeff Bezos oder Elon Musk, um das Mittel für ewige Jugend zu finden. Bis dahin, lassen sie sich Blutplasma von jungen Menschen infundieren und postum ihr Gehirn einfrieren.
Doch trotz aller Versprechen ist bisher wenig dabei herausgekommen: "Manche dieser Firmen existieren schon seit zwanzig Jahren, und sie haben noch kein einziges Produkt auf den Markt gebracht." Und Kritiker schrieben in einem offenen Brief, die Beseitigung aller altersbedingten Todesursachen würde die Lebenserwartung um nicht mehr als fünfzehn Jahre verlängern.
Doch wie sähe das Leben überhaupt aus, wenn es diese Behandlung gäbe, die dafür sorgt, dass wir alle 150 Jahre alt werden? Der Frage nach gesellschaftlichen Konsequenzen geht Ramakrishnan nicht aus dem Weg. Was wäre das für eine Welt? Müssten dann alle bis zum hundertsten Geburtstag arbeiten, damit die Gesellschaft nicht zusammenbricht? Schon jetzt ist es ein Problem, dass Menschen immer älter werden, aber nicht länger arbeiten können, weil sie vor allem Jahre der Gebrechlichkeit dazugewinnen. Und würden diese zusätzlichen Jahre der Gesellschaft einen Vorteil bringen? Im Alter lässt die Geistesfähigkeit nach. Ramakrishnan ist mit seinen 72 Jahren realistisch, auch in Bezug auf die Forschungsleistungen seines eigenen Instituts: "Die wenigen wirklich neuen Ansätze stammen nicht von mir, sondern von den jungen Leuten, die bei mir arbeiten."
Am Ende des Buchs angelangt, weiß man auch seinen Titel zu schätzen: Anders als andere Wissenschaftler verspricht Ramakrishnan nicht spektakuläre Ausblicke auf ein Ende des Alterns. Er erläutert auf vorzügliche Weise, warum wir altern und sterben - und dass sich daran in näherer Zukunft nichts ändern wird.
Venki Ramakrishnan: "Warum wir sterben". Die neue Wissenschaft des Alterns und die Suche nach dem ewigen Leben.
Aus dem Englischen von Sebastian Vogel. Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2024. 352 S., Abb., geb., 28,- Euro.
Erscheint am 19. Oktober.
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