Adolf Hitler, Ulrich Volker
Vor und nach Joachim Fest 1973 sind schon viele Biographien über Hitler erschienen. Diese hier von Volker Ulrich hat den Vorteil, auf dem Stand der Forschung 2018 zu sein. Es sind die gesamte Forschung zum Holocaust und zum Vernichtungsfeldzug im Osten eingearbeitet, weiters alle verfügbaren Tagebücher und Zeitdokumente von Speer, Goebbels, Bormann sowie eine realistische Einschätzung von Hitlers Politik und Strategie. Hitler wird als Vabanque-Spieler gezeichnet, der alles auf eine Karte setzt, ohne Rücksicht auf Menschenleben oder Wahrheit und immer wieder auf Sieg oder Untergang pokert. Das geht drei Jahre lang gut, die Besetzung von Österreich und der Tschechei gelingt noch durch Drohungen, die Eroberung von Polen, Frankreich, Dänemark und Norwegen durch das Bündnis mit Stalin, das Hitler den Rücken frei hält, sodass er einzelne Länder mit überlegenen Kräften überrumpeln kann. Der deutsche Blitzkrieg, eine Mischung aus Panzervorstößen, Luftschlägen und Einkesselung, ist völlig neu und bis 1941 haben die Alliierten dem nichts entgegenzusetzen. 1941 erscheint Hitler siegestrunken als strahlender Held und neuer Napoleon, der so nebenbei noch Jugoslawien, Griechenland, Kreta und Nordafrika besetzt. Wie Napoleon verfällt er dem Größenwahn und unterschätzt die Schwierigkeit der Besetzung Russlands, das er in einem brutalen Mordfeldzug zu überrollen sucht. Millionen Kriegsgefangene werden dem Hungertod preisgegeben, Sonderkommandos liquidieren Hundertausende in den besetzten Gebieten, um Südrussland mit deutschen Wehrbauern neu besiedeln zu können.
Hitler wird als genialer Redner und Schauspieler gezeichnet, der sich aber gleichzeitig mit neurotischer Paranoia, Judenhass und Mordbereitschaft in seiner eigenen Wahnwelt verrennt. In der Offensive trifft er noch sinnvolle Entscheidungen, seine Rückzugsstrategie (Halten um jeden Preis, umzingelte Städte als Festungen) wird aber zum Desaster.
Trotz sehr sachlicher und historisch richtiger Darstellung, die sich spannend liest, kann man dem Buch aber doch die übliche Einseitigkeit aller Hitler-Biographien nicht absprechen. Da fast sämtliche eingearbeiteten Zeitzeugnisse von Hitler und seinem inneren Kreis stammen, wird der Leser verführt, sich mit Hitler, Goebbels und Speer zu identifizieren. Deren Verbrechen werden ohne Emotion aufgeführt, ihre Gefühle, Träume und Wünsche aber mit all den Ängsten und Hoffnungen ihrer Tagebücher und Gespräche aufgeladen. So klärt das Buch zwar sachlich über das Ausmaß der Genozide und der Verbrechen von SS und Wehrmacht auf. Deutsche und vor allem rechtsnationale Leser werden die Nazis aber doch in subtiler Weise als Helden ihrer Geschichte empfinden. So räumt das Buch auf Grund der historischen Recherchen der letzten Zeit mit den alten Rechtfertigungsmythen von der sauberen Wehrmacht und der funktionierenden Volksgemeinschaft auf und schafft doch ein neues Heldenepos großer deutscher Vergangenheit, das den Linien von Hitlers egomanischem Denken folgt und die Distanzierung von den Nazi-Gräueln nur scheinbar schafft.