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Ein Sommer in Prag

Roman

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Ein heißer Sommer im Prag der Fünfzigerjahre: Jana Honzlová, eine junge Sängerin in einem Folklore-Ensemble, darf nicht mit auf Tournee gehen, denn seit ihr Vater ins kapitalistische Ausland geflüchtet ist, gilt sie im kommunistischen System als politisch unzuverlässig. Stattdessen soll sie im Betriebsbüro die Stellung halten, wo sie ihr Leid mit der freundlichen Putzfrau teilt und heimlich internen Intrigen nachforscht. Aber auch ihre komplizierte Familiensituation hält die Ich-Erzählerin in Atem, die alles, was ihr widerfährt, mit Unverblümtheit und Straßenwitz schildert. Denn Jana Honzlová ist eine, die nicht so schnell aufgibt und sich ihre Chuzpe bewahrt. Umso erschütternder ist es für sie, als die Verhältnisse am Ende doch mächtiger erscheinen. Salivarová, die viele eigene Erfahrungen in den Roman einfließen ließ, erzählt gewissermaßen die Vorgeschichte des Prager Frühlings; dabei verzichtet sie auf Klischees oder Moralpredigten. Ihr gelingt das authentische Porträt einer vergangenen Zeit, das mit Leichtigkeit und Witz vorgetragen wird, ohne die Tragik und Absurdität auf die leichte Schulter zu nehmen. "Ein Sommer in Prag" (im Original: "Honzlová") erschien erstmals 1972 im kanadischen Exil und gehört für viele Kritiker*innen zum Besten, was in der tschechischen Literatur der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts geschrieben wurde. Nun liegt endlich die deutsche Erstausgabe vor.

Produktdetails

Erscheinungsdatum
18. März 2024
Sprache
deutsch
Seitenanzahl
352
Autor/Autorin
Zdena Salivarová
Übersetzung
Sophia Marzolff
Verlag/Hersteller
Produktart
gebunden
Gewicht
520 g
Größe (L/B/H)
213/140/31 mm
Sonstiges
Mit Lesebändchen
ISBN
9783963118388

Portrait

Zdena Salivarová

Zdena Salivarová, geb. 1933, ist eine tschechische Schriftstellerin, Übersetzerin, Verlegerin, aber auch Sängerin und Schauspielerin. Sie schrieb neben einer Reihe von Kurzgeschichten, Novellen und Erzählungen zwei autobiographische Romane. Nach der Besetzung der Tschechoslowakei durch die Truppen des Warschauer Pakts emigrierte sie mit ihrem Mann, dem Schriftsteller Josef Škvorecký, nach Kanada.

Pressestimmen

»Zdena Salivarová zeichnet in Sommer in Prag ein schonungsloses Bild der kommunistischen Tschechoslowakei«
Ute Fuith, Weiberdiwan, Sommerausgabe 2024

»Ein hitziger junger Mensch bekämpft einen schwitzigen Sommermonat lang den Irrwitz eines Kontroll- und Denunziationssystems mit Wut, Humor und Unerschrockenheit was für eine märchenhafte Konstellation in der Mitte Europas und des 20. Jahrhunderts!«
Jörg Plath, Deutschlandfunk (Büchermarkt), 18. Juli 2024

»Dabei werden die dramatische Gestaltung der Szenen, die bildhafte Darstellung der Details, die derben und zarten Dialoge in einen schwebenden Zustand gebracht, der Originalität verrät.«
Reiner Neubert, Chemnitzer Zeitung, 6. Juli 2024

»Eine wunderbare und anrührende Geschichte. Absolut bereicherndes Werk.«
Michaela Roppelt, Bibliothekswelten, Mai 2024

»Das eigentlich spannende an dem Buch ist, wie wahnsinnig lebendig der Charakter dieser Protagonistin sich da entfaltet. Es ist eine unglaublich kluge, lebensfrohe, energiegeladene, junge Frau, die sich, ungeachtet dessen, was ihr da geschieht, eine große Unabhängigkeit im Denken bewahrt, einen unglaublichen Humor hat, eine Freiheit im Beurteilen der Dinge, die ihr so widerfahren. Das hat eine ganz große Modernität und ist wirklich toll!«
Stefan Liebermann, Marga Schoeller Bücherstube (in der Sendung "Lesart", Deutschlandfunk Kultur), 15. Mai 2024

»Derart Beklemmendes so zu schreiben, dass es sich leicht liest und trotzdem nichts von seiner existentiellen Dringlichkeit einbüßt, das ist große Kunst.«
Jonathan Böhm, SWR Kultur, 18. April 2024

»Ein Roman für Prag-Liebhaber, der ganz ohne Hradschin und Vyšehrad auskommt. Ein Buch für Junge und Junggebliebene. Ein Gesellschaftsroman ohne Pathos und ein Erinnern an die denunziatorischen Fallstricke des Sozialismus sowjetischer Prägung.«
Mario Kluge, Stimme der DDR, 29. März 2024

»Mitreißend, witzig und frisch, aber auch mit einer Spur von Tragik.«
F.F.dabei, Nr. 7/2024, 23. März 2024

Besprechung vom 22.05.2024

Gehen oder Bleiben?
Zdena Salivarovás "Ein Sommer in Prag"

Deutscher Herbst und Prager Frühling, Tauwetter und politische Eiszeit - die meteorologischen Bestandsaufnahmen politischer Verhältnisse erfreuen sich erstaunlicher Beliebtheit. Und dann sind da ganzjährig und eben nicht nur zur Sommerzeit die anderen, die Durchschnittsgesichter vom Ministerium, die "Klatsch und Tratsch sammeln", weil auch schlichter Klatsch, einmal in die Kaderakten gelangt, "den Wert eines amtlichen Dokuments" erhielt.

Was ein solches amtliches Dokument anrichtet, weiß die Ich-Erzählerin Jana in Zdena Salivarovás Roman genau. Der Vater ist in den USA, ein Bruder im Arbeitslager, ein anderer im Gefängnis, eine ältere Schwester macht auf vornehm und hat sich abgesetzt. Jana bringt mit ihrem Gehalt in einem Gesangs- und Tanzensemble die beiden jüngeren Geschwister und die Mutter durch. Sie leben in einem abbruchreifen Prager Wohnblock mit Außenklo, sadistischem Hofkehrer und dessen abgerichtetem Schäferhund. Wenn die Mutter über fehlende Zwiebeln in den Geschäften schimpft, gilt das als Aufwiegelei.

Salivarová berichtet von einem brütend heißen Sommer in Prag irgendwann kurz nach Stalins Tod. Der kalendarische Frühling scheint ebenso weit weg wie der politische. Jana langweilt sich, denn ihr Ensemble ist auf Tournee, ihr wurde die Ausreise nicht bewilligt. Dabei hatte sie sich doch auf einer Tour durch Frankreich bewährt, indem sie zurückkehrte. In der Abwesenheit der anderen nutzt sie die Gunst der Stunde und liest ihre Akten: Sie wurde in Frankreich akribisch ausspioniert, mit Angaben bis auf die Minute genau, doch alles, was sie tat, liest sich nun als unhaltbare Anklage gegen sie. Sie will den Irrtum aufklären, wendet sich ans Kulturministerium, dann ans Innenministerium. Dort gerät sie an einen gewissen Sedlácek, zunächst nur Blaubart genannt. Er will sie anwerben, aber sie weiß: "Ich passe da nicht rein." Nicht in die Partei und schon gar nicht in die Tratschsammelgruppe.

In schnodderigem Ton berichtet Jana davon, wie sie in die Enge getrieben wird, sich Katastrophe an Katastrophe reiht. Oft genug wird in solchen Momenten nach der Biographie der Autorin gefragt, als bürge allein ihr Erleben für literarische Qualität. Da über Zdena Salivarová tatsächlich kaum etwas zu finden ist, sei zumindest gesagt: Sie wurde 1933 in Prag geboren, die Ich-Erzählerin ist damit in etwa ihr Jahrgang. Ihr Vater, ein Buchhändler, wurde 1949 verhaftet und emigrierte ein Jahr später in die USA. Offenbar stammte sie nicht aus derart prekären Verhältnissen wie Jana im Roman. Sie arbeitete als Schauspielerin, gehörte ebenfalls einem Gesangs- und Tanzensemble an, heiratete Josef Skvorecký, emigrierte und gründete in Kanada einen Verlag für (exil-)tschechische Literatur, in dem 1972 auch dieser Roman erschien. Sie selbst bezeichnet Jana als "Zwillingsschwester", die zwar wie sie spreche und handele, aber doch eine andere sei. "Selbstverständlich hat der Roman eine ganze Menge autobiographischer Elemente, aber in der Realität war alles anders. Es ist wahr und doch auch wieder nicht wahr."

Damit zurück zur literarischen Qualität. Salivarová formt ihren Stoff souverän, baut kluge Spannungsbögen, schreibt detailreich und lebendig. Die Übersetzung von Sophia Marzolff hat für Umgangssprache und Vielstimmigkeit sehr schöne Lösungen gefunden. Vor allem aber schneidet die Autorin den persönlichen Glauben gegen die politischen Verhältnisse. "Was erzählten die Leute bei einer Beichte? Und was sagte der Priester darauf? Es war wohl so etwas wie ein Mitarbeitergespräch, an dessen Ende nicht eine Verwarnung oder der Rauswurf stand, sondern die Vergebung. Auch der größte Lump wurde nicht gefeuert, wenn er nur Selbstkritik betrieb und sich zu bessern versprach." Durch diesen Dreh kann Salivarová hervorragend zeigen, wie stark das allgemeine Denunziantentum die Atmosphäre vergiftet.

Als Sedlácek Ausreisepapiere anbietet, fehlt ihr die Antwort auf die Frage, ob der Mann ehrlich, vielleicht sogar aus Liebe handelt oder ihr eine Falle stellt. So bleibt das Ende offen - und weitet den Roman von einer Studie über Bespitzelung zu einer Aufnahme von Aufrichtigkeit im Miteinander. CHRISTIANE PÖHLMANN

Zdena Salivarová: "Ein Sommer in Prag". Roman.

Aus dem Tschechischen von Sophia Marzolff. Mitteldeutscher Verlag, Halle 2024.

372 S., geb.

© Alle Rechte vorbehalten. Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt.

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