Seit ihrem ersten Publikationen ist mir Anne Barns vertraut. Auch ihre weiteren Pseudonyme sind mir geläufig. Sie zählt zu meinen liebsten Autor*innen, und ich freue mich immer, wenn sie ein neues Buch veröffentlicht. Wie den nachdenklich stimmenden Roman "Bevor du gehst", der ein ernstes Thema behandelt.Das Cover ist sehr schlicht, aber gut auf den Klappentext abgestimmt. Am linken Bildrand ist eine Frau unbekannten Alters auszumachen, die mit nackten Füßen über den Strand läuft. Ihre Konturen sind nicht vollständig auszumachen; sie verschwindet sozusagen im Nichts. Im Hintergrund ist das Meer zu erkennen. Der Titel ist relativ kurz und verweist auf einen nahenden Abschied voneinander.Was das Setting betrifft, hat Anne Barns eine gute Wahl getroffen. Die literarische Reise führt über die hektische Metropole Frankfurt auf die beschauliche nordfriesische Insel Amrum. In einer schlichten Sprache thematisiert Anne Barns eine schwierige Mutter-Tochter-Beziehung. Im Fokus steht Julia, eine emotionale Frau mittleren Alters , deren Verhältnis zu ihrer Mutter, der rüstigen, kühlen Mittsiebzigerin Christine, nicht lieblos, sondern eher unterkühlt ist. Ganz im Gegensatz zu ihrer eigenen Tochter Emilia, mit der sie eine innige Beziehung verbindet. Mitten in einer schweren Ehe-Krise steckend, wird sie durch einen Krankenhausaufenthalt ihrer Mutter aufgeschreckt. Ihre Gedanken überschlagen sich geradezu, als ihr schmerzlich bewusst wird, wie wenig Zeit noch bleibt, miteinander zu sprechen und einander nahe (näher) zu kommen. Zwischen ihnen steht viel Ungesagtes, das ihr Verhältnis zueinander belastet. Auf einer gemeinsamen Reise nach Amrum schaffen sie es, nicht nur ein streng gehütetes Geheimnis aufzudecken, sondern auch einen echten Draht zueinander zu entwickeln. Auch wenn dieser Roman sehr kurz ist, hat er mich tief berührt. Denn er regt zum Nachdenken über das Leben an. Man fühlt sich an sein eigenes Dasein erinnert, an seine Kinder, an seine Eltern. Sollten wir unsere gemeinsame Zeit nicht nutzen und miteinander (nicht übereinander) sprechen, solange wir es können? Aus diesem Grunde hat er nicht nur 5 Sterne, sondern auch eine ausdrückliche Empfehlung verdient.