Buchinhalt:
In den Siebziger Jahren beginnt nun, auch Lisettes Enkeltochter Paula zu rebellieren. Auch sie hat den einen Wunsch, für den sie brennt: Musikerin zu werden, aus der Enge ihres Elternhauses auszubrechen, nur ihren Träumen zu folgen. Doch Paula lebt in einem kleinen Dorf in Hessen, sie eckt überall an mit ihrer leicht aufsässigen Art und ihre Eltern haben kein Verständnis für das, was ihre Tochter glücklich macht. Eines Tages packt Paula ihre Siebensachen und brennt Richtung London durch....
Persönlicher Eindruck:
Im zweiten Band ihrer Winterfrauen-Trilogie stellt Autorin Ruppert nun Paula in den Mittelpunkt, die Enkeltochter von Lisette, Tochter von deren Tochter Charlotte. Auch Paula hat einen Spleen - sie will nichts anderes, als singen. Was ihrer Großmutter seinerzeit die Reformkleider ist für Paula die Musik, und wie sollte es anders sein: sie fühlt sich missverstanden, ungeliebt, unterdrückt.
Das Konzept, das die Autorin bereits im ersten Band anwendet, ist hier genau dasselbe: in wechselnden Abschnitten mit unterschiedlichen Schriftarten erzählt sie die Geschichte um die vier Generationen der Winterfrauen weiter. Besonders spannend fand ich die Passagen über Paula, ihre Kindheit und Jugend und die Einbettung derselben in den historischen Kontext. Authentisch und glaubhaft vermittelt die Geschichte das Leben auf dem Land in der deutschen Nachkriegszeit, den Wunsch der jungen Leute nach Musik, Fortschritt und der Suche nach dem eigenen Weg. Dabei fand ich das Leben von Paulas Familie absolut überzeugend: genau so dachte und lebte man damals, in einer ländlichen Gegend abseits der Großstädte sowieso. Man wollte auf keinen Fall auffallen und das sollten auch nicht die eigenen Kinder - von daher war auch nicht gewünscht, dass Paula in der Wirtschaft singt, als sie ihrem Vater ein Bier holt. Genau diese Einstellung zieht sich lange Strecken durch das Buch, nur die Gelegenheiten wechseln.
Dazwischen folgen immer wieder die Perspektiven von Oma Lisette und von Mutter Charlotte und natürlich die Gegenwartszeitlinie um Enkeltochter Maya, die noch immer auf der Suche nach ihrem Vater ist. Leider konnte mich auch im zweiten Band diese Gegenwartsgeschichte überhaupt nicht mitreißen oder begeistern, auch diesmal habe ich die Passagen gegen Ende überflogen und nur noch die Paula-Teile gelesen. Die Gegenwartsgeschichte fand ich - trotz inhaltlichem Zusammenhang mit dem Rest - seltsam deplatziert, langatmig und nichtssagend.
Der Schreibstil und die Art, wie Frau Ruppert die Geschichte vor ihrer Leserschaft ausbreitet, war eingängig und angenehm, lediglich die Aufspaltung in vier parallele Handlungsstränge empfand ich vielerorts etwas störend und wäre mit einer linearen Handlung in den Siebziger und Achtziger Jahren wohl glücklicher gewesen, die mich nicht ständig von einer Epoche in eine andere gerissen hätte. In meinen Augen verzettelt sich die Autorin zu sehr in der Gegenwart von Maya, die mir leider überhaupt nicht gefallen hat.
Fortgesetzt wird die Reihe nun noch von Band 3, der zeitlich noch einmal zurück springt und Mutter Charlottes Kindheit und Jugend im Zweiten Weltkrieg zum Thema hat. Ich erhoffe mir von dieser dritten Geschichte die Beantwortung einiger offen gebliebener Frage auch hinsichtlich der Einstellung und des Denkens von Paulas Eltern, auf welche in diesem Buch mehrfach angespielt wurde und die einem Cliffhanger gleich bislang offen blieben.
Fazit: eine lohnender Erzählung nach altbekanntem Muster, die die Welt eines jungen Mädchens aus der deutschen Nachkriegszeit lebendig werden lässt und diese dem Leser plastisch vor Augen führt. Kleinere Schwächen sind dabei durchaus zu verzeihen.