Silje Iversen ist in ihrer eigenen Welt, als sie ein Graffiti an einer Hauswand fotografiert. Sie ahnt nicht, dass sie dabei beobachtet wird. Katrine Haugen, die Silje bereits in ihrer gemeinsamen Jugendzeit bewundert hat, entdeckt sie an diesem Tag zufällig wieder. Und die alte Besessenheit kommt wieder in ihr hoch, unbedingt will sie Siljes scheinbar perfektes Leben führen. Doch wie weit Katrine zu gehen bereit ist, ist dort noch nicht absehbar... Bernhard Stäber, hat in seiner Wahlheimat Norwegen bereits mehrere Krimis und Thriller geschrieben, die dem dort wie hier populären Genre des Nordic Noir angehören. Auch "Dunkles Abbild" ist eine in sich abgeschlossene Geschichte, in der schnell eine düstere und unheilvolle Stimmung aufkommt. Denn bereits während des harmlos wirkenden Intros hat der Autor einige Formulierungen und Momente eingebaut, die drohendes Unheil andeuten. Mir gefällt, wie dies immer intensiver wird. Die Lesenden bekommen hautnah mit, wie Katrine immer weiter ihrem Wahn verfällt, sich in ihrer psychischen Besessenheit verstrickt und immer radikaler wird, während Silje eine beachtliche Menge an Ignoranz und Selbstbezogenheit an den Tag legt. Die Portraits der beiden Frauen sind so unterschiedlich geraten, aber beide sehr eingängig und greifbar. Ich mag, wie er feine Facetten nutzt, um die beiden sehr genau herauszuarbeiten. Dass dabei jeweils in der Ich-Perspektive erzählt wird, ist dem Ganzen nur noch zuträglicher. Besonders gelungen ist, wie dabei auch das Bild, wie die Frauen sich selbst sehen, immer weiter ins Wanken gerät und auch die Lesenden sich fragen können, wie sehr Selbstwahrnehmung und Realität bei sich selbst übereinstimmen. Interessanterweise ist eigentlich nach wenigen Seiten klar, worauf die Handlung hinauslaufen wird, doch der Spannung ist das keineswegs abträglich. Im Gegenteil: Während der langsamen, fokussierten Erzählweise kann man immer weitere Feinheiten entdecken, sieht man die nahende Katastrophe kommen und wird dann doch immer wieder überrascht. Da ist packend geraten und gipfelt in einem hervorragend geschriebenen Finale, welches die Protagonistinnen noch einmal in ein anderes Licht rückt. "Dunkles Abbild" ist ein langsam erzählter, aber sehr intensiver Psychothriller, der mit den Portraits zweier Frauen überzeugt. Die beiden Charaktere sind sehr fein gezeichnet, oft sind es die kleinen Zwischentöne, die mehr über sie verraten. Gut gelungen ist auch die Darstellung der wachsenden Besessenheit und das psychische Drama, das sich dadurch anbahnt und doch überraschende Wendungen nimmt.