März 2020: die Covid-Pandemie hat Frankreich erreicht, der erste Lockdown fegt die Straßen leer und niemand weiß so recht, was es mit diesem neuen Virus auf sich hat. Man ist verunsichert, man hat Angst. Passend zur Stimmung wird in der Gemeinde Marignane ein altes Trauma geweckt. Eine junge Frau verschwindet, nur ein Schuh von ihr wird am Kanal nahe des stillgelegten Tunnels de Rove gefunden, als wäre er dort drapiert worden. Genauso wie vor 23 Jahren, als vier Mädchen spurlos verschwanden und nur jeweils ein Schuh an jener Stelle zurückblieb. Handelt es sich um den gleichen Serien-Täter von damals? Der neunte Band der Krimi-Reihe um Capitaine Roger Blanc erschien etwa ein Jahr nachdem die Handlung spielt, noch ein Jahr später habe ich ihn nun gelesen und wundere mich, wie schnell man doch verdrängt. Ich muss sagen, dieser Krimi ging mir richtig unter die Haut. Cay Rademacher schreibt unfassbar gut und erweckt die Atmosphäre von Unsicherheit, Misstrauen und Angst wieder, die mit dem Beginn der Pandemie einherging. Der Grusel, den die Nachrichten und Gerüchte jener Zeit erzeugten, wirkt wie ein Verstärker auf die Emotionen, die mit dem Cold Case einhergehen, mit dem Roger Blanc konfrontiert wird. Die ansonsten klassische Krimi-Reihe fühlt sich diesmal fast an wie ein Thriller, nur ohne blutrünstige Details. Denn in diesem Fall wurden weder damals noch jetzt Leichen gefunden. Und so rührt mich auch die Mutter eines dieser Mädchen besonders, die seit 23 Jahren ihre Haustür nicht abschließt für den Fall, dass ihre Tochter doch noch wiederkommt.Auch das Setting ist wieder hervorragend gewählt und unterstützt die Handlung mit seiner schönen wie unheimlichen Beschreibung. Den Tunnel du Rove gibt es wirklich und auch die tragische Geschichte um seine Entstehung ist leider wahr. Aber lest selbst! Dieser Band ist für mich der beste der Reihe - spannend und fesselnd.