Mottenburg nennen die Patienten ihre Klinik. Und wer die Motten hat, hat Tuberkulose und muss wochenlang hier liegen. Auch den zehnjährigen August hat es hierher verschlagen. Seine Mutter hat er auf der Flucht verloren und verloren wäre auch er, gäbe es da nicht Lilo. Lilo ist schön, Lilo ist mutig. Vor allem aber singt sie mit den Kindern, liest ihnen Geschichten vor und schafft ihnen einen Ort, an dem es auch für sie ein leises Glück gibt. Diese letzte, bislang unveröffentlichte und autobiographische Erzählung schenkte Christa Wolf ihrem Mann Gerhard Wolf zum 60. Hochzeitstag
Mottenburg nennen die Patienten ihre Lungenheilstätte, in der alle an derselben Krankheit leiden, alle die »Motten« haben. Einer von ihnen ist der achtjährige August, der seine Mutter auf der Flucht aus Ostpreußen verloren hat und selbst verloren wäre, gäbe es da nicht Lilo. Lilo ist siebzehn, sie ist schön, sie wagt es, sich mit der Oberschwester anzulegen, und wenn Lilo seinen Namen ausspricht, klingt er anders als sonst. Mehr als sechzig Jahre danach sind die Erinnerungen an diese Zeit immer noch präsent, kann August darin wie in einem Bilderbuch blättern. 1976 erschien »Kindheitsmuster«, Christa Wolfs großes autobiographisches Buch. Fünfunddreißig Jahre später rückt sie eine Figur daraus in den Mittelpunkt ihrer neuen Erzählung: Wir begegnen dem Jungen August wieder, lesen von einer schwierigen Kindheit im Zeichen von Krieg und Krankheit, aber auch von einem erfüllten Leben, in dem es etwas gegeben hat, das man wohl Glück nennen könnte.