Eine solide, leicht zugängliche Geschichte, die trotz ihrer Schwächen einen gewissen Reiz entfaltet...
Vesper Quill arbeitet als talentierte Ingenieurin in einem hochmodernen Labor für technische Entwicklungen. Ihr neuester Auftrag scheint zunächst wie eine gewöhnliche technische Analyse: Der Absturz eines neu entwickelten Frachtschiffmodells der Kent Corp. muss untersucht werden. Für den Großkonzern steht viel auf dem Spiel, da enorme Summen in die neue Frachterreihe geflossen sind. Vesper entdeckt schnell, dass ein gravierender Konstruktionsfehler vorliegt - eine Enthüllung, die nicht nur das Projekt, sondern ihr gesamtes Leben auf den Kopf stellt. Plötzlich findet sie sich nicht mehr in der geschützten Umgebung des Labors wieder, sondern auf einem brutalen Schlachtfeld. Hier trifft sie auf Kyrion Caldaren, einen gefürchteten Krieger, der für seine gnadenlose Effizienz bekannt ist. Ob Schicksal oder die geheimnisvolle Energie, die viele Menschen in dieser Zukunft in sich tragen - zwischen den beiden geschieht etwas Außergewöhnliches, etwas, das zwar selten, aber normalerweise als Wunder betrachtet wird. Doch in diesem Fall darf es nicht sein, und die Ereignisse nehmen eine dramatische Wendung.Um das Geschehen besser einzuordnen, lohnt ein Blick auf die gesellschaftlichen Strukturen der erzählten Welt. In dieser futuristischen Gesellschaft gibt es starke Gegensätze. Auf der einen Seite stehen die sogenannten "Edlen", die auf einer eigenen Welt in Luxus und Machtintrigen leben. Ihr ganzes Streben dreht sich um Einfluss und Besitz. Ihnen gegenüber steht die Techwave, eine Gruppe, die sich ganz der technologischen Entwicklung verschrieben hat. Beide Seiten sind durch die mysteriöse Energie verbunden, die einige Menschen befähigt, außergewöhnliche Kräfte zu entwickeln. Manche können mächtige Waffen oder Schilde aus reiner Energie erschaffen, während andere, wie Vesper, über subtilere Talente verfügen. Ihre Begabung liegt in ihrem außergewöhnlichen Verständnis für Technik: Sie erkennt komplexe Zusammenhänge, kann selbst die kompliziertesten Maschinen reparieren, optimieren oder in völlig neue Formen umwandeln.Zurück zur Handlung: Nach den chaotischen Ereignissen auf dem Schlachtfeld erwacht Vesper auf der luxuriösen Welt der Edlen. Hier taucht der Leser in eine faszinierende, aber nur oberflächlich beleuchtete Gesellschaft ein. Die Autorin konzentriert sich weniger auf die politischen und kulturellen Details der Welt, sondern mehr auf die aufkeimende Beziehung zwischen Vesper und Kyrion. Zwischen den beiden entsteht eine Verbindung, die über das Physische hinausgeht: Sie spüren einander, selbst wenn sie getrennt sind. Was zunächst ungewollt und widerwillig beginnt, entwickelt sich langsam zu einer zarten, dann leidenschaftlichen Liebe. Diese wächst nicht über Nacht, sondern wird behutsam aufgebaut - ein Aspekt, der die Geschichte besonders macht. Dennoch bleibt die Liebesgeschichte der Kern der Erzählung, und wer sich darauf einstellt, wird die Geschichte vermutlich mehr genießen als Leser, die eine tiefgehende Science-Fiction-Welt erwarten.Die Science-Fiction-Elemente bleiben in ihrer Ausgestaltung eher zurückhaltend. Zwar gibt es einige interessante Ideen, wie ein außergewöhnliches Energieschwert oder futuristische Alltagsgegenstände wie einen ausgefallenen Kaffeeautomaten, doch diese Details bleiben Randerscheinungen. Der Fokus liegt auf der Beziehung der Hauptfiguren und den Intrigen im Hintergrund. Leider ist die Verschwörung der Kent Corp. relativ vorhersehbar, und die Geschichte läuft auf einen finalen Showdown hinaus, der wenig überraschend, wenn auch handwerklich solide inszeniert ist. Die Erzählung wechselt zwischen den Perspektiven von Kyrion und Vesper, was Einblicke in beide Charaktere ermöglicht, aber durch den häufigen Wechsel aus der Ich-Perspektive auch etwas anstrengend wirken kann. Hier hätte eine Erzählweise in der dritten Person möglicherweise für mehr Übersicht und Tiefgang gesorgt. Positiv hervorzuheben sind die Rückblicke in die Vergangenheit der Protagonisten. Beide haben schwierige Beziehungen zu ihren Eltern, was sie vielschichtiger und glaubwürdiger macht. Die Nebenfiguren erfüllen zwar ihre Rollen, bleiben jedoch in klar definierten Mustern verhaftet und brechen nur selten aus diesen aus. Gut und Böse verschwimmen stellenweise, was der Geschichte etwas Tiefe verleiht, auch wenn einige Szenen klischeehaft anmuten.Fazit:Die "Schönen und Reichen" sind am Ende auch nur Menschen. Vesper Quill, eine junge, brillante Ingenieurin, beginnt als starke, unabhängige Figur, doch ihre Begegnung mit Kyrion Caldaren, einem gefürchteten Killer, verändert alles. Kyrion ist weitaus mehr als nur ein brutaler Soldat und hatte nie vor, sich zu verlieben. Doch die Energie, die sie beide verbindet, lässt ihnen keine Wahl. Die Parallelen zu "Star Wars" sind offensichtlich, auch wenn Jennifer Estep eigene Akzente setzt. Die Intrigen der Kent Corp. sind solide konstruiert, wenn auch vorhersehbar, und kleinere Wendungen sorgen dafür, dass die Spannung nicht völlig abreißt. Große Überraschungen oder Innovationen sucht man jedoch vergebens. Die Liebesgeschichte zwischen Vesper und Kyrion wird feinfühlig erzählt und steht im Zentrum der Handlung. Wer sich darauf einlässt, wird gut unterhalten, auch wenn die Mischung aus Science Fiction und Mystik letztlich mehr Romantik als Genre-Innovation bietet. Die Geschichte liest sich flüssig und schnell, ist aber weniger fesselnd, als man es sich wünschen könnte. Eine solide, leicht zugängliche Geschichte, die trotz ihrer Schwächen einen gewissen Reiz entfaltet, wenn man sich auf ihre romantischen Elemente einlassen kann.Matthias GöbelAutorin: Jennifer EstepÜbersetzung:Vanessa LamatschVerlag: Piper VerlagKlappenbroschur: 448 SeitenVeröffentlichung: 29.08.2024ISBN: 9783492706544