Becks und ihre Aggressionen und Beleidigungen
Dieser Krimi ist in Düsseldorf und NRW beheimatet. Hinter Judith Bergmann verbirgt sich keine Geringere als die bekannte Thrillerautorin und mit einem GLAUSER-Preis ausgezeichnete Jutta Profijt. Obwohl das zweiköpfige Ermittlerteam mit sehr ungewöhnlicher Konstellation die Cold-Case-Abteilung des LKA bilden, wird um aktuelle Verbrechensfälle in der Drogenszene kein Bogen gemacht.Pechstein, einst als der attraktivste Kriminalhauptkommissar lebend bekannt und vor Kurzem an den Folgen eines Außeneinsatzes erblindet, ist wieder im aktiven Dienst tätig. Allerdings arbeitet er nun in der neu geschaffenen Abteilung für ungelöste Fälle beim Landeskriminalamt. Seine einzige Kollegin ist Natalia Becks, eine ehemalige Vorzeige-Polizistin, die sich gerade in einer beruflichen Tiefphase befindet.In ihrem ersten Fall nehmen sie die Spur zweier Mädchen auf, die fünfzehn Jahre zuvor spurlos verschwanden. Während Pechstein sich hoch motiviert dem Fall widmet, wird Becks mit einem dunklen Geheimnis aus ihrer Vergangenheit erpresst. Die Suche nach dem Erpresser lässt ihr kaum Zeit für die Ermittlung. Allein kann Pechstein den Fall aber nicht lösen. Und so schwankt das Team zwischen Erfolgswillen, Chaos und Kooperation.In ihrem erstmaligen Auftrag nehmen sie die Fährte von zwei Mädchen auf, die vor fünfzehn Jahren plötzlich verschwunden waren. Während sich Pechstein mit voller Hingabe dem Fall widmet, wird Becks mit einem düsteren Geheimnis aus ihrer Vergangenheit erpresst. Die Suche nach dem Erpresser lässt ihr kaum genug Zeit für die Ermittlungen.Obwohl Pechstein nicht in der Lage ist, den Fall alleine zu lösen - schließlich muss er sich zunächst darum bemühen, neue Prozesse für sich in der Blindheit zu schaffen - , steht das Team vor einer Gratwanderung zwischen dem Wunsch nach Erfolg, dem Chaos und der Zusammenarbeit.Während das Team weiterhin den Fall der verschwundenen Mädchen verfolgt, stoßen sie auf immer mehr Hinweise, die in verschiedene Richtungen weisen. Pechstein und Becks arbeiten hart daran, die Puzzleteile zusammenzusetzen und die Wahrheit ans Licht zu bringen. Doch je tiefer sie graben, desto gefährlicher wird die Situation, denn sie kommen einem gefährlichen Netzwerk auf die Spur. Die Ermittlungen und die Sturheit einer Staatsanwältin fordern ihnen alles ab, aber ihr unbändiger Wille, die Wahrheit zu finden, lässt sie nicht aufgeben. In einem Wettlauf gegen die Zeit müssen Pechstein und Becks alle ihre Fähigkeiten einsetzen, um diejenigen zur Rechenschaft zu ziehen, die für das Verschwinden der Mädchen verantwortlich sind.Der Aufbau des Romans mit seiner eigenwilligen Art der Kapitelanfänge war zu Beginn etwas ungewöhnlich, schließlich aber nicht verkehrt. Innerhalb der großen Kapitel erfolgten meist mehrere Perspektivwechsel, die dann mit dem Namen des jeweiligen Protagonisten überschrieben wurden. Tatsächlich müssen aber nur die beiden Protagonisten Pechstein und Becks mit ihren Namen als Überschrift oder Szenentrenner herhalten. Während der Name mit den drei Punkten als Auslassungszeichen endet, beginnt der darauffolgende erste Absatz ebenfalls mit einem solchen Auslassungszeichen. Ungewöhnlich, aber gut gemacht!Wie bereits aus der Handlungsbeschreibung hervorgeht, ist die Konstellation der Figuren eine ganz besondere. Sich einen Blinden als Ermittler vorzustellen, ist schon schwierig. Ich habe ständig daran gedacht, wie er sich dabei fühlen muss. Und das Gute ist: auch die Autorin hat daran gedacht! Sie bringt den Lesern den Zwiespalt und alle Zweifel, die die Figur Pechstein als Blinder selbst hat, so nahe, dass man schon bald sehr gut damit leben kann.Während Pechstein zu Beginn tatsächlich den richtigen Weg auf den Gängen des LKA sucht, ist er bald auf der Suche nach den Möglichkeiten, auch ohne etwas sehen zu können, alle Informationen und Dokumente zu den Ermittlungen so effizient in sich aufzunehmen, dass er gute Ermittlungsergebnisse liefern kann. Das ist hervorragend beschrieben und Judith Bergmann lässt uns in das Leben eines Menschen mit Sehbehinderung eintauchen. Dazu gehört z.B. auch das für einen Blinden berauschende Gefühl von Freiheit hoch oben in einer Kletterwand.Natürlich lernen die Leser auch die zweite Figur des Romans ausgiebig kennen: Becks. Sie ist ein Scheusal und man kommt auch am Schluss des Romans nicht zu einer anderen Meinung. Ihre schnoddrige, aggressive und vor allem beleidigende Art, wie sie ihren Kollegen Pechstein angeht und Witze über seine Behinderung macht, ging mir während des Lesens total gegen den Strich. Sie hat da schon etwas von Luke Mockridge. Auch wenn ich von vornherein um den Sinn der Dramaturgie wusste und davon ausgehen konnte, dass sich zum Ende hin alles glätten wird, blieb sie mir bis schließlich unsympathisch. Diese Figur konnte bei alles dem, was sie selbst durchmachte, kein Mitleid meinerseits einfangen und Sympathiepunkte gutmachen.Wunderbar sind die Wortwechsel gestaltet, die voller Humor stecken. Während sie zwischen Becks und Pechstein eher beleidigend und aggressiv wirken, sind sie bei Gesprächen mit den Kollegen aus Mettmann und mit der Figur Aylin eher liebevoll humorig.Muss ich also noch mehr schreiben, wie sehr ich diesen Roman voller Spannungen und Wendungen genossen habe? Ich kann ihn nur empfehlen und ihm in jedem Portal die höchste Punktzahl geben - trotz Becks.© Detlef Knut, Düsseldorf 2024