Liebe Leserinnen und Leser! Spektrum Geschichte« wird nun drei Jahre alt, und ich möchte die Gelegenheit nutzen, Sie an dieser Stelle zu begrüßen - mit einem in meinen Augen besonders spannenden Thema: einer Revolution im Ansehen der Neandertaler. Mehr und mehr Details aus deren Leben werden mit neuen Funden quer durch Eurasien bekannt. Sie zeigen, dass unsere Verwandten ganz und gar nicht die primitiven Eiszeitgenossen waren, die uns »modernen« Menschen unterlegen waren. Dieses Klischee geht auf William King zurück, der im 19. Jahrhundert den Schädel eines Neandertalers beschrieben hat. Viele Anthropologen nach ihm schlugen in die gleiche Kerbe und festigten das Bild einer rückständigen Menschenform. Funde, die das Gegenteil nahelegten, wertete man allenfalls als Übernahmen von Homo sapiens. Neue Studien widerlegen das jedoch zunehmend: Neandertaler waren handwerklich durchaus geschickt, nutzten ein reichhaltigeres Nahrungsangebot als gedacht, schmückten sich vermutlich sogar und schufen erste symbolische Werke. Dazu kommt, dass viele Menschen heute noch Neandertalergene in sich tragen - ein deutliches Zeichen dafür, dass sich unsere Vorfahren mit ihren Nachbarn innig einließen. Die Vermischung belegt am schönsten, dass die Neandertaler Menschen wie wir waren. Ihr Daniel Lingenhöhl, Chefredakteur.