Das letzte Buch, das ich von Stefanie Stahl lesen wollte, dreht sich um den Themenkomplex Bindung und Beziehung.Bindung ist eines der psychischen Grundbedürfnisse neben Kontrolle, Selbstbestimmung, Selbstwert und Lust. Erfüllte Bedürfnisse sorgen für Zufriedenheit, frustrierte Bedürfnisse können auf Dauer krank machen.Wie so oft, liegt der Ursprung in der Vergangenheit. Bindungsangst entsteht, wenn Kinder sich zu sehr anpassen müssen. Sind Eltern nicht in der Lage, die Entwicklung ihres Kindes einfühlsam zu fördern, übernimmt das Kind unbewusst die Verantwortung dafür, dass die Beziehung zu seinen Eltern gelingt - auf Kosten von Überanpassung, Identität und eigenen Bedürfnissen.Menschen mit problematischen Beziehungsmustern haben als Kinder nicht gelernt, dass sie eine Beziehung mitgestalten können. Im Erwachsenenalter sorgen nahe Beziehungen dann für Unsicherheiten und Probleme, die in Depressionen münden können.Hier will Stefanie Stahls Ratgeber ansetzen und für Klarheit sorgen; will erklären, warum Betroffene mit ausgeprägtem Autonomiebestreben immer wieder aus Beziehungen ausbrechen, warum Betroffene eine irre Verlustangst entwickeln. Der Ratgeber will aber auch Lösungsansätze liefern, die das und nicht mehr sind - Ansätze. Ich merke bei diesen Büchern immer wieder, dass sie zwar geeignet sind, um ein generelles Verständnis seiner Problematiken zu bekommen und zu verstehen, was einen als Betroffenen so sehr belastet, aber die Anregungen, sich selbst einfach nur etwas besser unter die Lupe nehmen zu müssen, funktioniert eben nicht so einfach und würde viele Therapeut:innen arbeitslos machen, wenn man nur einen Ratgeber dafür durchlesen müsste.Ich persönlich würde dieses Buch in zwei Phasen einteilen. Die erste Hälfte des Buches ist durchaus ein Kompass für Menschen, die eine Bindungsstörung bei sich vermuten. Zu Beginn einer Therapie kann es sehr helfen, seine Gefühle und die daraus entstehenden Reaktionen damit zu verorten. Die zweite Hälfte des Buches sehe ich eher als Erinnerung für Menschen, die in ihren therapeutischen Maßnahmen bereits vorangeschritten sind, eventuell eine Therapie bereits abgeschlossen haben und lediglich immer nur mal wieder eine Auffrischung ihrer Methodenkiste benötigen.