Turbulenter früher Krimi Agatha Christies, der so spannend und überraschend wie unterhaltsam, gar fröhlich ist.
Noch ehe ihr erstes Werk, "The Mysterious Affair at Styles", endlich veröffentlicht wurde, schrieb Agatha Christie bereits ihren zweiten Krimi, der dann kurz nach ihrem Debütroman unter dem Titel "The Secret Adversary " ( deutsch: "Ein gefährlicher Gegner" ) 1922 auf dem Buchmarkt erschien ( in Deutschland zehn Jahre später ) und von der Kritik durchweg positiv aufgenommen wurde.Nach dem belgischen Detektiv Hercule Poirot erschuf sie nun die beiden Charaktere Tommy und Tuppence, denen wir noch in drei weiteren Krimis sowie einer Kurzgeschichtensammlung begegnen, Bücher, die die Schriftstellerin bis Ende der Fünfziger Jahre geschrieben hat und in denen sie das amüsante Ermittlerpaar in Echtzeit altern lässt. Ganz im Gegensatz übrigens zu ihren bekannteren Protagonisten, Miss Marple und dem bereits erwähnten Hercule Poirot, die beide schon bei ihren ersten Auftritten recht angejahrt waren - und dies auch blieben, mit gelegentlichen Verjüngungskuren dazwischen!Dame Agathas zweiter Kriminalroman ist überaus vergnüglich und temporeich, bereits im unverwechselbar leichten und klugen Stil der Autorin geschrieben und führt neben Tommy Beresford und Prudence - Tuppence - Crowley zwei Themen ein, derer sie sich im Verlauf ihrer Karriere immer wieder bedienen sollte: zum einen steht ein Geheimnis im Mittelpunkt, das aufzudecken ist, zum anderen muss eine mächtige Person identifiziert werden, die die Weltherrschaft anstrebt. Und wie die Lady of Crime mit diesen Themen umgeht, wie sie die jeweilige Handlung darum aufbaut - das ist immer wieder spannend und originell und ungemein fesselnd geschrieben!Die Handlung von "The Secret Adversary" spielt hauptsächlich im London des Jahres 1919. Der Große Krieg ist vorüber und zwei junge Leute, die einander von Kindesbeinen an kennen und die während des Weltkrieges in unterschiedlichen Funktionen im Einsatz waren, treffen sich in London wieder, beide ziemlich mittellos und auf der Suche nach Arbeit. Als sie durch Zufall ein Gespräch mitanhören, in dem von einer gewissen Jane Finn die Rede ist, die offensichtlich nicht auffindbar ist, beschließen sie der Sache nachzugehen, gründen flink eine Art Detektei, die sie "The Young Adventurers" nennen und bieten ihre Dienste per Zeitungsannonce an, für die sie ihre letzten Pennys zusammenkratzen.Das ist der Beginn eines turbulenten Abenteuers, in dessen Verlauf der rothaarige, eher besonnene und gutmütige Tommy und die ungestüme und wagemutige Tuppence in so erheiternde wie zunehmend gefährliche Situationen geraten, denn sehr bald wird ihnen klar, dass sie es mit einem unerhört gefährlichen Gegner zu tun haben, einem gewissen Mister Brown, dessen Identität niemandem bekannt ist und der kein Erbarmen bei der Verfolgung seiner verbrecherischen Ziele kennt. Bei ihren halsbrecherischen und tollkühnen, doch komplett amateurhaften Ermittlungen treffen die jungen Abenteurer auf eine Reihe von Personen, die ihnen wohl oder übel wollen. Doch wem können sie wirklich trauen? Wer von ihren neu gewonnenen Freunden meint es ehrlich, wer spielt sein teuflisches Spiel mit den beiden jungen Leuten, die es sich in den Kopf gesetzt haben "Mister Brown" zu entlarven? Dies herauszufinden macht Agatha Christie ihren liebenswerten Protagonisten nicht leicht - und lässt dabei den Leser gemeinsam mit Tommy und Tuppence bis zu den letzten Seiten ihres Krimis im Dunkeln tappen. Und das macht sie schon sehr früh, genauer gesagt am Anfang ihrer langen Karriere auf ihre eigene unnachahmliche Weise! Sie legt Fährten, gibt versteckte Hinweise, die dann aber doch ins Leere führen, sie verwirrt, baut Fallen ein - und der Leser fällt gemeinsam mit den agilen Protagonisten prompt darauf herein!Doch ist es am Ende der solide, langsam aber beharrlich denkende Tommy, dem Tuppences überbordende Phantasie völlig fehlt, der dem großen Unbekannten auf die Spur kommt, eine Spur, auf die der sehr aufmerksame Leser - denn aufmerksam muss man bei Agatha Christie schon sein! - auch hätte kommen können, hätte er sich denn nicht in die Irre führen lassen durch die vielen, geradezu auf ihn einstürzenden Ereignisse und die wechselnden Richtungen, die den Verlauf der Geschichte bestimmen...Erwähnt werden soll zum Schluss noch die Widmung, die die berühmte Schriftstellerin aus dem malerischen Torquay in Südengland ihrem Roman vorangestellt hat und die eine von zweien ist, mit denen sie sich direkt an den Leser wendet: "Für alle die, die ein eintöniges Leben leben in der Hoffnung, dass sie die Freuden und Gefahren des Abenteuers aus zweiter Hand erfahren". Und diese Hoffnung wurde und wird Dame Agatha zweifellos erfüllt!