In seinem tiefgründigen Roman *Saubere Zeiten* erzählt der deutsche Journalist und Debüt-Autor Andreas Wunn eine sich über mehrere Generationen erstreckende Familiengeschichte. Es ist eine bewegende Geschichte über Schuld und Verdrängung, fatale Missverständnisse, Familiengeheimnisse sowie die Schattenseiten von Erfolg.
Obwohl die Ausgangskonstellation des Romans von der eigenen Familiengeschichte inspiriert ist und einige Elemente auf wahren Begebenheiten beruhen, ist die Handlung hauptsächlich fiktiv.
Der Roman wird abwechselnd auf verschiedenen Zeitebenen erzählt. Zum einen verfolgen wir in einem Handlungsstrang die in der Gegenwart spielenden Ereignisse um die Hauptfigur Jakob, der sich mit der Vergangenheit seiner Familie zu beschäftigen beginnt, und erfahren zum anderen in Rückblicken mehr über lange zurückliegende, teilweise verhängnisvolle Geschehnisse. So tauchen wir ein in das Schicksal der Unternehmerfamilie Auber, erleben den Aufstieg zu großem Wohlstand zu Deutschlands Wirtschaftswunder-Zeit, als der Großvater Theodor ein legendäres Waschmittel erfand, und werden schließlich Zeugen des selbstverschuldeten, tragischen Absturzes in die Pleite Mitte der 1950ger Jahre. Nach und nach bringt Jakobs Spurensuche in den hinterlassenen Aufzeichnungen seines Vaters und Tagebucheinträgen seines Großvaters etliche dunkle Geheimnisse, traurige Gewissheiten und auch Überraschungen ans Licht. In Anspielung auf den vielsagenden Buchtitel deckt er bei seiner Aufarbeitung so einige unbekannte Kapitel in der Geschichte dieser Unternehmerfamilie auf, bei denen nicht alles so sauber war, wie viele annahmen.
Eingehend beleuchtet Wunn auch die schwierigen Vater-Sohn-Beziehungen der Familie. Sehr anschaulich zeigt er die Folgen von fehlender Zuneigung und Sprachlosigkeit zwischen den Generationen auf sowie die Notwendigkeit diese fatalen Verhaltensmuster zu erkennen und zu durchbrechen.
Je mehr sich der Protagonist Jakob im Laufe seiner Recherchen über Parallelen im Leben seines Großvaters, Vaters und ihm bewusst wird und die familiären Vergangenheit aufarbeitet, desto besser gelingt es ihm, sein Verhalten und seine eigenen Beziehungen zu überdenken, sich zu öffnen und zu sich selbst zu finden.
Wunn hat seine Charaktere vielschichtig und lebensnah ausgearbeitet. Leider ist es mir nicht gut gelungen, eine Nähe zu den Figuren aufzubauen und mich in sie hineinzuversetzen. Insbesondere bei Jakob als, der sein bisheriges Leben und seine Ehe sehr nüchtern und mit einer erschreckenden Distanziertheit hinterfragt, habe ich eine gewisse Emotionalität vermisst, die seine Wandlung widerspiegelt. Dies hätte der Geschichte insgesamt mehr Tiefgang verliehen, so dass diese mich hätte mehr berühren können.
FAZIT
Eine fesselnd erzählte Familiengeschichte und ein interessantes, facettenreiches Portrait einer Unternehmerfamilie, das nachdenklich stimmt und vielleicht auch dazu anregt, sich etwas näher mit der eigenen Familiengeschichte zu beschäftigen.