Goethe kehrt von seiner Schweizreise nach Hause, es plagen ihn seine Hämorrhoiden und mehr noch seine Schreibflaute, die er mit dieser Reise zu überwinden meinte. Doch wieder in Weimar, in den Armen seine Christiane, kehren weder Einfälle noch Inspiration zurück und er sitzt tagelang vor leeren Oktavbögen, die sich nicht füllen wollen.Übellaunig von all den schriftstellerischen Misserfolgen wendet er sich an seinen Schwager Christian August Vulpius, den er nicht mag, aber der sich, wie er selbst aber jeder auf seine Art, Tag für Tag mit Büchern befasst, und wenngleich Vulpius nur Trivialliteratur zustande bringt und auf gar keinen Fall auf gleicher Ebene mit ihm steht, immerhin mühelos gleichzeitig zwei Romane verfassen kann. Vulpius Ratschläge befolgend, von denen er sich anfänglich wenig Erfolg verspricht, verfasst er, als Schreibübung sozusagen, einen Roman über Rinaldo Rinaldi, einem Räuberhauptmann, der in Kalabriens Wälder wütet.Dass dieses Vorhaben seine Schreibkünste wiederbelebt und dann, wenn auch unter anderem Namen, veröffentlicht wird, gipfelt in ungeahnte Wendungen.Aber Goethe, weil er eben Goethe war, hatte, ohne bewusste Absicht und ganz bestimmt ohne jeden Plan, immer wieder mal einen Handlungsbogen geschaffen, dem man mit Neugier folgte, hatte di Figuren, wenn auch nicht in der letzten Einzelheit gezeichnet, immerhin so beschrieben, dass man sie sich vorstellen konnte, keine lebendigen Menschen, das wäre zu viel verlangt gewesen, aber doch Puppen, denen man bei ihren Abenteuern gern zuschaute, hatte - "ohne Überlegung hingeworfen" , dachte Vulpius neidisch, Formulierungen gefunden, die mehr waren als durch tausendfachen Gebrauch abgewetzte Allgemeinplätze, hatte kein gute Buch geschrieben, natürlich nicht, aber auch kein wirklich schlechtes, eines, das keinem Kritiker gefallen würde, aber manchem Leser und mancher Leserin sehr wohl.Meine persönlichen Leseeindrücke Ich hätte das Buch nicht gelesen, wenn es nicht in meiner lokalen Leserunde Pflichtlektüre für das nächste Treffen gewesen wäre, denn der Klappentext konnte mich so gar nicht anregen. Die Vorstellung eines Goethes, der von Hämorrhoiden einen wunden Hintern hat und unter Furunkel am Rücken leidet, hat die Literatur wohl gebraucht! Wie überrascht bin ich, die ersten Schrecken überwindend, eine humorvolle - nicht überlieferte - Geschichte eines Burn-outs des Weimarer Dichterfürsten zu entdecken, Weimarer Alltagsleben inklusive, und bin begeistert. Herrlich amüsant wie Lewinsky, dieser Schelm, den Goethe karikiert: Goethe als Mann, Geheimrat, Minister, Dichterfürst mit all seinen Marotten, Zornausbrüchen und Burn-out Syndromen. Dazu gesellen sich Christiane, offiziell seine Haushälterin, inoffizielle seine Frau (und alle wissen es), weil in der Weimarer Gesellschaft sie nicht dem passenden Stande angehört um seine Angetraute sein zu können, und ihr Bruder Christian August Vulpius, der devote Hofbibliothekar mit schriftstellerischen Ambitionen, den Goethe nicht leiden kann. Natürlich hatte sie eine Menge Gemeinsames. Aber je nachdem, wie das Schicksal das Messer ansetzt, schnitzt es aus demselben Holz eine lachende oder eine weinende Maske.Süffisant und ein bisschen schadenfroh nimmt sich Lewinsky der vermeintlich, jedenfalls nicht öffentlich bekannten Schreibflaute des Dichterfürsten an, der unter enormen Druck seit Wochen nichts zu Papier bringt. Der einzige Mensch, der ihm aus der Misere befreien kann, immer unter Regie der umtriebigen, intelligenten Christiane, ist deren Bruder Christian August. Was nun folgt ist eine der schönsten Erklärungen was Literatur ist und worum es beim Schreiben geht. Direkt von Goethe umgesetzt, scheint das Schreiben wirklich eine einfache, geradezu natürliche Sache zu sein und die Größe des Dichterfürsten schlägt auch bei der literarischen Verwirklichung des kalabrischen Räuberhauptmannes Rinaldo Rinaldi durch. Fazit"Rauch und Schall" von Charles Lewinsky ist ein süffisant, humorvolles Buch über ein vermeintliches Burn-out des Dichterfürsten Goethe. Ein Roman nicht nur für Goethefans und ein amüsanter Seitenhieb auf den großen Literaten."Ein Name muss Duft sein, der eine köstliche Mahlzeit ankündigt, der Trommelwirbel, der dem Auftritt der Hauptperson vorangeht" Rauch und Schall dachte Goethe.