großartig recherchiert, wunderbar einfühlsam literarisch verarbeitet
Als sich Sylvia Plath 1963 mit nur 30 Jahren das Leben nimmt, ist das, was sie sich so sehnlichst erhofft hatte, für sie noch nicht erkennbar. Posthum wird sie als eine der größten amerikanischen Schriftstellerinnen gefeiert werden. Über die Umstände oder die Beweggründe, die sie diesen finalen Schritt gehen ließen, wurde und wird viel spekuliert. Plaths Ehemann Ted Hughes steht dabei meist im Mittelpunkt. Sein Werk wurde bereits zu Lebzeiten hoch geachtet und Plath hatte daran einen großen Anteil. Hughes selbst hat sich lange Zeit überhaupt nicht zu den Vorwürfen geäußert, er habe Plath in den Selbstmord getrieben, geäußert. Unterstützt wurden diese Behauptungen durch vielfache Aussagen von Menschen, die Plath und Hughes als Paar kannten, aber auch durch Plath großen Roman "Die Glasglocke", der zum Klassiker der feministischen Literatur wurde. 1998 allerdings veröffentlichte Hughes eine Sammlung von Gedichten mit dem Titel "Birthday Letters". Ein Zyklus von 88 an Sylvia Plath gerichteten Gedichten, die sein Schweigen zu der sicher nicht einfachen Beziehung der beiden brachen und den Connie Palmen zum Anlass nahm, diese Beziehung in einem Roman aus Ted Hughes Sicht zu beleuchten.Palmen gibt Hughes eine Stimme, die sehr ausgewogen scheint. In einem langen (inneren) Monolog erzählt er, wie er Plath kennenlernt, sich ihrer beider Liebe stürmisch entwickelt und er hofft, ihr helfen zu können. Beider schriftstellerische Ambitionen sollen voneinander profitieren. Doch zunächst ist es Plath, die Hughes zu mehr Aufmerksamkeit verschafft. Sie selbst wird immer wieder von Zweifeln gequält, die durch eine allgemeine Ablehnung ihrer Arbeiten verstärkt werden. Hughes versucht ihre emotionalen Schwankungen, ihre psychische Disposition zu "heilen", indem er sich einiger esoterischer Hilfsmittel bedient. Palmen zeigt seine Überzeugung, damit Gutes zu tun eindrücklich und versteckt dabei nicht seine zwar gut gemeinte aber fatale Fehleinschätzung bezüglich der seelischen Gesundheit seiner Frau und vor allem seiner Möglichkeiten, ihr zu helfen, damit umzugehen.So begleiten wir das Paar durch die wenigen Jahre, die es gemeinsam erlebt hat. Intensiv, von großem Glück und schweren Depressionen geprägt. Palmens unaufgeregter Stil gewinnt durch die einfache Tatsache, dass sie hier den Mann sprechen lässt, der sich in den Jahren nach Plaths Selbstmord kaum bis gar nicht zu seiner Rolle darin geäußert hat. Dabei wird klar, er hat sie geliebt, er hat versucht, ihr zu helfen, aber es nicht vermocht. Dass seine Sicht der Dinge auch eine männliche ist, die manchmal etwas großmütig erscheint und aus heutiger Sicht antiquiert vorkommen mag, ist dem Umstand geschuldet, dass er eben auch Kind seiner Zeit war.Hätte Hughes jedoch in den Jahren nach Plaths Tod nicht all ihre Texte gesichtet und herausgegeben, dann wäre wohl auch aus dem posthumen Ruhm nichts geworden. Dabei unterschlägt Palmen nicht, dass Hughes erst während der Lektüre der Tagebücher erschüttert feststellen musste, welche Seiten seiner Frau er nicht gesehen hatte. Auch wenn er bei der Herausgabe ihrer Werke kuratierte - oder vielleicht zensierte, wie es manche nennen mögen - so war diese Tat wohl die selbstloseste und liebevollste, die er ihr angedeihen lassen konnte.Vom Moment ihres selbstgewählten Todes an erbte ich ihre Sprache, wurde zum Ausführenden ihres posthumen Ruhms und vollstreckte damit wie ein Henker das Urteil an mir selbst. Mit der Herausgabe von Ariel reichte ich der Welt den Strang, an dem sie mich - und alle, die sie geliebt hat - aufknüpfen konnte. Connie Palmen ist mitDu sagst es ein intensiver, manchmal auch schmerzhafter Roman gelungen, der vielleicht etwas Frieden schließen kann, mit gängigen Urteilen und Bewertungen. Eine Beziehung von außen zu bewerten wird nie gelingen, da das System, das zwei Menschen miteinander bilden können, nicht durchdringbar ist. Ich werde lange weiter über diesen Roman nachdenken, werde Werke von Plath und Hughes lesen und warte gespannt darauf, dass das Siegel der Kiste, die Hughes persönlich in das Ted-Hughes-Archiv nach Georgia brachte, 2023, also knapp 25 Jahre nach seinem Tod, aufgebrochen werden darf. Was mag die Kiste wohl so lange gehütet haben - ich werde dieser Spur auf jeden Fall folgen.