Ohne lange Einleitung starte ich einfach mal mit meinen Gedanken zum Buch. Habe ich den Klappentext gelesen? Ja. Habe ich gelesen, dass eine Katastrophe stattfinden wird? Ja. Habe ich diese Katastrophe erwartet? Absolut nicht, nein. Somit war ich schon nach den ersten paar Seiten ziemlich verwirrt und habe einfach nicht verstanden, was da gerade passiert ist. Ich dachte, das ist ein Scherz, aber es ist genau das passiert, was ich gelesen hatte. Ich wusste deshalb nicht sofort, wie ich das Buch nun einordnen soll bzw. konnte mir nicht vorstellen, wie es weitergeht, was die Geschichte bringen wird. Doch ich habe mich reingestürzt und bin am Ende so dankbar für dieses Buch, denn es hat mich an vielen Stellen zum Nachdenken, zum Weinen und sogar zum Schmunzeln gebracht (obwohl objektiv gesehen nichts zum Schmunzeln ist). Sehr gut gefallen hat mir, dass der Fokus auf So-Lu und ihrem "Untergang" lag. Nicht nur Aayana und ihre Familie wurden nicht gespürt, auch So-Lu ist komplett untergegangen und niemand hat sich für sie interessiert oder bemerkt, wie es ihr wirklich geht. Ich fand ihr Abdriften authentisch dargestellt und habe sehr mit ihr mitgefühlt. (In manchen Passagen, die sie mit Pierre austauscht, konnte ich Glattauers Schreibstil aus "Gut gegen Nordwind" herauslesen.) Auch in Elisa konnte ich mich hineinversetzen. Besonders am Ende hat sie für mich das einzig Richtige getan. Und ich würde nicht sagen, dass ich mich in sie hineinversetzen konnte, aber authentisch waren Oskar und Engelbert allemal. Mit ihrem Verhalten, mit ihren Aussagen ... Egal zu welchem Thema, so was habe ich in der Realität schon oft gehört. Auch Nebenfiguren wie die Anwälte waren greifbar und hatten Tiefe. Wie immer schreibt Glattauer flüssig und einnehmend, er nimmt mich stets an der Hand und sorgt dafür, dass ich seine Bücher nicht aus der Hand legen kann. Interessant fand ich auch, wie ausgeklügelt manche Sätze waren. Beispielsweise sagt eine Figur "Danke" und das bleibt nicht einfach so stehen (was auch passend gewesen wäre), sondern da steht der Nachsatz (nicht wortwörtlich) "Wofür er sich bedankte, wusste niemand genau". Und das bringt einen selbst dann zum Nachdenken und mir ist das einfach positiv aufgefallen. Als die ersten Zeitungsartikel kamen und darunter die Kommentare von Lesenden, habe ich mich gefühlt, als würde ich einen beliebigen "Standard"-Artikel samt Kommentaren lesen. Wirklich genau so schreiben Menschen in den Foren und tun ihre Meinung (oder was auch immer) kund. Am Anfang hat mich das genervt, ich dachte mir, muss das jetzt wirklich sein? Muss mir hier (überspitzt gesagt) die volle Ladung menschlicher Dummheit entgegengeschleudert werden? Ich habe mich versucht, darauf einzulassen, und am Ende hat mir der ein oder andere Kommentar ein Schmunzeln entlocken können. Und man darf nicht vergessen: Genau so würde es ablaufen, wenn so eine Katastrophe passieren würde. Genau so würden die Menschen reagieren. Genau so würde der eine Anwalt reagieren. Genau so würde Typ Oskar reagieren. Genau so würde Typ Engelbert reagieren. Etc. Etc. Von dem her hat mich die Geschichte beeindruckt. Mir hat auch die Einteilung der Kapitel mitsamt den Überschriften gut gefallen. Und als es am Ende zum Prozess kommt, wurde es richtig emotional. Als der Brief vorgelesen wird ... (Ich war leicht wütend auf So-Lu, dass sie den Brief einfach vergessen hat und ihre Eltern somit nie lesen konnten, was darin stand ... Das Vergessen ist aber auch typisch Teenager). Am Ende bleibt man einfach schockiert und traurig und nachdenklich zurück, weil die Geschichte so authentisch ist und weil Menschen auf der Flucht tatsächlich die beschriebenen Dinge erleben. Die Welt ist ein grausamer Ort, es passieren schreckliche Dinge, und zumindest mir fällt es schwer, das zu akzeptieren. Am Ende bin ich froh, das Buch gelesen zu haben, mich hat der Schreibstil beeindruckt und die Geschichte hat mich zum Nachdenken gebracht.