"Es ist schlimm für einen Staat, wenn er von politischen Hohlköpfen regiert wird." (S. 135)
Ein erschütternder Bericht mitten aus den relativen Anfängen der DDR ist es, der mit "Das schweigende Klassenzimmer" vorliegt. Diese Geschichte um eine Schulklasse, die mit einer Kleinigkeit die Obrigkeiten derart aus dem Konzept bringt, dass sich die Angelegenheit immer weiter hochschaukelt und beinahe zur Staatsaffäre wird, bietet ungewohnt tiefe Einblicke in die Funktionsweise eines dysfunktionalen Staats.
Man muss dieses Buch vielleicht aus zwei verschiedenen Blickwinkeln betrachten, mit zweierlei Maß messen: Zum einen die Geschichte, zum anderen die Art und Weise, wie sie erzählt ist.
Naturgemäß ist die Handlung wirklich spannend. Sie bietet Einblicke in die DDR, ihre Funktionsweisen und ihre Machtzentralen, die mir bis dahin ziemlich fremd gewesen sind. Sie machen die Unsicherheit greifbar, in der sich die handelnden Figuren befanden, in der sie lebten, und die für uns heute so unvorstellbar ist, und allein dadurch ist sie reizvoll.
Dazu kommt, dass bei allem, was man im Geschichtsunterricht über die DDR gehört hat, diese Geschichte nicht vorkam und ich nach der Lektüre ein wenig ungläubig recherchiert habe, um festzustellen: Das ist tatsächlich ganz wirklich so passiert.
Zum Glück, muss ich sagen, besitzt "Das schweigende Klassenzimmer" dieses Feature der spannenden, wirklichen Geschichte, denn sprachlich und erzählerisch konnte es mich nicht so richtig überzeugen. Die Struktur irritierte mich immer wieder, die zeitliche Abfolge schien bisweilen nicht so richtig zu passen - jedenfalls nicht chronologisch - und immer mal wieder wurden Dinge erwähnt, die schon mehrfach vorher Erwähnung gefunden hatten.
Das macht "Das schweigende Klassenzimmer" leider zu einem Buch, bei dem das Lesevergnügen dem intellektuellen Vergnügen im Wege steht.
"Die ängstliche Vorsicht wurden wir nicht los. Sie war die Besatzungsmacht in uns selbst." (S. 21)
"Die Wirklichkeit ereignete sich außerhalb der wahnhaften Verknüpfungen ihres ideologischen Spinnennetzes." (S. 153)
Ich kann das Buch trotzdem empfehlen, allerdings nur für Menschen, die schon Interesse für die Geschehnisse mitbringen und keinen mitreißend erzählten, romanähnlichen Erzählstrang erwarten. Das, was wir hier vorfinden, scheint ausführlich recherchiert zu sein, es ist umfassend und informativ, aber man braucht ein gewisses Durchhaltevermögen, um dabei zu bleiben.