Yeonghye wird Vegetarierin (streng genommen eigentlich sogar Veganerin). Das stößt ihrem Mann auf, der sie vor allem wegen ihrer Durchschnittlichkeit und Unauffälligkeit schätzt. Auch ihre Familie versteht sie nicht. Fleisch ist bei ihnen, und der koreanischen Gesellschaft generell, ein fester Bestandteil der Ernährung. Vegetarier werden als exzentrisch angesehen, höchstens, wenn sie aus gesundheitlichen Gründen kein Fleisch essen, werden sie toleriert. Yeonghye meint es aber ernst, schon der Geruch von Fleisch stößt sie ab, seit sie einen Traum hatte, und eigentlich möchte sie selbst zu einem Baum werden.Die Vegetarierin war härter zu lesen als ich gedacht hätte. Yeonghye wird nicht als Spinnerin gezeigt, über die man sich eventuell etwas amüsieren könnte. Im Laufe des Buchs wird immer deutlicher, dass sie ernsthaft psychisch erkrankt ist und Hilfe benötigt, selbst aber gar nicht versteht, was das Problem eigentlich ist. Der Umgang mit ihr hat mich wesentlich mehr geschockt als ihre Geschichte. Sie wurde kaum als Lebewesen gesehen, geschweige denn, eines, dass einen eigenen Willen besitzt und eine eigene Meinung hat. Stellenweise hat mich die emotionslose Schilderung ihres Mannes und, im Grunde, aller männlichen Personen ihrer Familie, mich so geschockt, dass ich Pausen einlegen musste beim Lesen. Mit 183 Seiten ist The Vegetarian ein kurzer Roman. Er ist gedrittelt und zeigt den Verlauf von Yeonghyes Veränderung über mehrere Jahre. Jeder Teil erzählt eine neue Stufe. Er endet recht offen. Oft scheue ich mich, Nobelpreisträger zu lesen, weil ich befürchte, dass ihre Romane zu sperrig sind. Das war hier nicht so. The Vegetarier hallt auf jeden Fall nach und regt zum Nachdenken an, aber ohne dabei zu abstrakt zu werden. Der Roman eignet sich aber keinesfalls für ein gemütliches, ruhiges Leseerlebnis.