«Ich war ganz zaghafte Erwartung, staunte über alles und war zu allem bereit; meine Phantasie spielte und kreiste um ein und dieselben Vorstellungen, wie Mauersegler in der Dämmerung um Glockentürme kreisen.» Iwan Turgenjews atemberaubende Novelle «Erste Liebe» vermisst den ganzen Kosmos jugendlichen Empfindens: die halb bewussten Ahnungen von etwas Neuem, den Donnerschlag der ersten Begegnung, die Qualen des Hoffens und die Bitternis der tiefsten Enttäuschung.
Im Sommer auf dem Land begegnet der sechzehnjährige Wladimir der fünf Jahre älteren, kapriziösen und von Verehrern umschwärmten Sinaida, Tochter eines Fürsten und einer Kleinbürgerin. Sie erklärt ihn zu ihrem Pagen, fordert ihn zu einem Liebesbeweis heraus und lässt sich selbst zu einem Gefühlsausbruch hinreißen - von dem der Junge jedoch erkennen muss, dass er in Wahrheit seinem eigenen Vater gilt . . .
Turgenjews autobiographisch grundierte Liebesgeschichte flirrt vor psychologischer Subtilität. Darunter verbirgt sich auch ein kritisches Porträt des Adels im spätfeudalen Russland. Die lange fällige Neuübersetzung von Vera Bischitzky lässt den klassischen Text in frischem Glanz leuchten.