Elterliche Führung der Zukunft und ihr geschichtlicher Hintergrund von Jesper Juul
»Falls Sie die Hoffnung haben, dass ich in diesem Text irgendeine Methode beschreibe, werden Sie enttäuscht werden. Es gibt kein Patentrezept, wenn es um menschliche Beziehungen geht, und die Leute, die das behaupten, sind eher gute Marketingleute als Menschen mit Beziehungs- oder Fachkompetenz. Kein Muster und keine Methode kann jemals den moralischen Konsens der unser Denken so lange Zeit beherrscht hat ersetzen, oder uns ein vergleichbares Gefühl von Sicherheit und Gewissheit geben.
Aber: Am Ende entscheiden Sie! Wir leben in einer Welt, in der es nicht nur möglich geworden ist, persönliche Entscheidungen zu treffen es ist notwendig geworden! Entscheidungsfreiheit bringt persönliche Verantwortung mit sich, und ich hoffe, dass Sie ein bisschen mehr über sich selbst wissen, wenn Sie diese Seiten gelesen haben.
Vor einigen Jahren habe ich mich während eines Vortrags sehr kritisch zu einer in Mode gekommenen Erziehungsmethode geäußert, die nach dem Grundsatz verfährt, gehorsame und folgsame Kinder zu belohnen. . . . Fast beschämt erzählte mir in der Pause die Leiterin eines kleinen Kindergartens, dass sie in Absprache mit den Erzieherinnen ebenjene Methode eingeführt habe, die ich so deutlich kritisiert hatte. Der Grund: Wir waren nicht in der Lage, die Kinder am Ende des Tages dazu zu bringen, die Spielecke aufzuräumen . Meine Antwort lautete: Wenn es den Erwachsenen in einer Tageseinrichtung nicht gelingt, in einer Gruppe von Drei- bis Sechsjährigen eine Atmosphäre und Kultur von Mitarbeit und Teilnahme zu erzeugen, müssen sie dringend ihre zwischenmenschlichen Kompetenzen überdenken und sie zusammen mit ihrem Führungskonzept grundlegend ändern. Mit einer primitiven Methode, Kinder zu manipulieren, ist es jedenfalls nicht getan. «
Jesper Juul, geb. 1948 in Dänemark, ist einer der bedeutendsten und innovativsten Familientherapeuten Europas, Konfliktberater und Gründer von familylab die Familienwerkstatt. Durch zahlreiche Seminare, Vorträge, Medienauftritte und erfolgreiche Elternbücher wurde er international bekannt. Seit über 35 Jahren arbeitet er mit Familien. Seine respektvolle, gleichwürdige Art, mit Menschen umzugehen, beeindruckt Fachleute und Eltern immer wieder neu.
»Juul ist eine Lichtgestalt der modernen Pädagogik. . . . Im Unterschied zu vielen Kollegen betont er nicht die Schwierigkeiten, sondern die Ressourcen der Eltern-Kind-Beziehung. Der selbstquälerischen Suche nach Schuld setzt er einen gelassenen Optimismus entgegen. « Der Spiegel